
Im Jahr 1970 wurde anlässlich des 50. Jubiläums von vgbe energy e.V. die damalige VGB-FORSCHUNGSSTIFTUNG (heute vgbe FORSCHUNGSSTIFTUNG) gegründet. Durch die enge Kooperation der Hochschulen und Universitäten mit dem vgbe und seinen Mitgliedsunternehmen wurde rasch deutlich, dass zwischen der akademischen Ingenieurausbildung und den tatsächlichen Herausforderungen der Energieversorgung eine deutliche Lücke klafft. Dementsprechend wurde 1973 der „Ferienkurs – Einführung in die Kraftwerkstechnik“ ins Leben gerufen, der von der VGB-FORSCHUNGSSTIFTUNG finanziert wurde. Durch ein interessantes Besuchsprogramm wurde den Studierenden ein umfänglicher Einblick in die Strom- und Wärmeerzeugung vermittelt. Darüber hinaus sah sich die Industrie – ähnlich wie heute – mit einem zunehmenden Fachkräftemangel, wenn auch damals aus anderen Gründen als derzeit, konfrontiert. Es ging also auch darum, angehende Ingenieuren*innen für die Energiebranche zu begeistern. Damals wurden die Studierenden von ihren jeweiligen Hochschulen ausgewählt und in den für sie kostenlosen Kurs nach Essen eingeladen. An dieser Vorgehensweise hat sich bis heute nichts geändert. Die vgbe FORSCHUNGSSTIFTUNG übernimmt nach wie vor die Kosten für die Summer School, die Studierenden müssen lediglich für die An- und Abreise nach Essen Sorge tragen.


In den letzten 50 Jahren hat sich jedoch Einiges geändert: Aus dem „Ferienkurs“ wurde die „vgbe Summer School“. Waren die Studierenden damals noch im evangelischen Jugendheimstättenwerk untergebracht, werden heute Zimmer im ibis-Hotel in zentraler Lage in der Essener City für die Teilnehmenden reserviert und das „gesellige Beisammensein“ hat sich in ein „Barbecue mit Get-together“ gewandelt. Natürlich haben sich nicht nur die organisatorischen Rahmenbedingungen geändert, viel wichtiger sind die Inhalte, die vgbe den angehenden Ingenieuren*innen vermittelt. Standen im ersten Kursprogramm noch Besichtigungen von konventionellen stein- und braunkohlegefeuerten Kraftwerken sowie einem Kernkraftwerk und eine Baustellenbesichtigung eines ölgefeuerten Kraftwerks auf der Agenda, steht heute alles unter dem Zeichen der Erneuerbaren Energien und des Future Energy Systems. „Wasserstoff ist die neue Kohle“ – dieser Slogan wurde deutlich im aktuellen Programm reflektiert.
Wie in den vorausgegangenen 49 vgbe-Studierenden-Programmen, an denen in den vergangenen 50 Jahren rund 1.500 Studierende teilgenommen haben, ist es auch in diesem Jahr wieder gelungen, eine interessante Mischung aus Vorträgen und Besuchsprogramm zusammenzustellen. „Den Unternehmen und Institutionen, die sich jedes Jahr bereit erklären, den vgbe mit der Summer School zu empfangen, gebührt ein großer Dank. Es ist sicherlich nicht selbstverständlich, dass sich die Unternehmen so viel Zeit nehmen, den Studierenden die Betriebe bzw. Institute vorzustellen. Es wird dort stets auf Augenhöhe diskutiert und Fragen werden auf Unternehmensseite umfänglich beantwortet. Dafür ein herzliches Dankeschön an all jene Unternehmen, die sich in den letzten 50 Jahren in den Dienst der Ausbildung des Ingenieurnachwuchses gestellt haben. Ohne diesen Support hätten wir in diesem Jahr bestimmt nicht zum 50. Mal die Summer School durchführen können,“ erläutert Steffanie Fidorra-Fränz, die beim vgbe für die Organisation der Summer School verantwortlich ist.
Neben den vgbe-Experten, die in diesem Jahr Themen wie grüner Wasserstoff und Wasserkraft in Europa vorgestellt und mit den Studierenden diskutiert haben, konnten mit Dr. Jörg Egbers, Leiter Offshore Wind und maritime Technik der EnBW Energie Baden-Württemberg AG und Dr. Peter Deeskow, Leiter Forschung und Entwicklung bei der Iqony Gmbh, hochkarätige Vortragende gewonnen werden.
In seinem Beitrag „Technology status offshore wind at EnBW“ hat Dr. Egbers einen umfassenden Einblick in die Offshore-Wind-Aktivitäten von EnBW vermittelt. Daneben wurde auch die technische Entwicklung von Windkraftanlagen aufgezeigt. Turmhöhen von 68 Metern im Jahr 2011 bis hin zu einer erwarteten Höhe von 168 Metern im Jahr 2030 und MW-Leistungen von 2,3 MW im Jahr 2011 bis hin zu rund 20 MW im Jahr 2030 belegen eindrucksvoll die technische Entwicklung in der Windbranche. Weitere technische Details zu Gründung und Offshore-Umspannwerk wurden vorgetragen und mit den Studierenden diskutiert.
Dr. Deeskow adressierte in seinem Beitrag „Artificial intelligence for renewable energies“ die Einsatzmöglichkeiten und Herausforderungen beim Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) beim Betrieb und bei der Wartung von Energieanlagen. Fragen hinsichtlich der zukünftigen Notwendigkeit von humaner ingenieurtechnischer Leistung im Hinblick auf die (Weiter)Entwicklung von KI wurden angeregt und intensiv erörtert.
Auch Dr. Oliver Then, Geschäftsführer des vgbe energy e.V, hat sich für die diesjährige Summer School Zeit genommen und einen Vortrag zum Thema „Flexibility in energy systems“ gehalten. „Die Ingenieurausbildung ist für den vgbe von großer Bedeutung und wir sind stolz, dass wir dieses Format in diesem Jahr zum 50. Mal anbieten konnten. Wir freuen uns, dass wir hier in Essen, der „Energiehauptstadt“, Einblick in die aktuellen Herausforderungen der Energieversorgung bieten können und dass wir erneut eine internationale Studierendengruppe begrüßen durften. Außerdem leisten wir auf diesem Wege auch einen Beitrag, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, der ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf das Gelingen der Energiewende hat. Ich möchte darüber hinaus nicht verschweigen, dass wir mit unserem Engagement auch nicht ganz uneigennützig handeln. Es ist in der Vergangenheit nicht selten vorgekommen, dass wir ehemalige Teilnehmende der vgbe Summer School später in anderer Funktion auf unseren Veranstaltungen oder in unseren Gremien wiedergetroffen haben. Es freut uns natürlich, wenn wir immer wieder Nachwuchs für die vielschichtige Verbandsarbeit begeistern können, denn das stärkt die gesamte vgbe Community, was enorm wichtig für die Durchsetzung unserer gemeinsamen Ziele ist,“ so Dr. Oliver Then.

Nach dem Vortragsprogramm der beiden ersten Tage am Energie-Campus wurde die Summer School mit den Besichtigungsfahrten fortgesetzt. Neben dem Centre for Wind Power Drives (CWD) der RWTH Aachen standen auch das STEAG Kraftwerk in Duisburg Walsum auf dem Programm, wo exemplarisch der Wandel von Kohle zu Wasserstoff vorgestellt wurde. Beim Besuch der MAN-Turbinenproduktion in Oberhausen konnten sich die Studierenden von der Herstellung großer Industrieturbinen ein Bild machen. Abgerundet wurde das diesjährige Programm mit einem Besuch bei der Verallia-Glasproduktion in Essen. Dort wurden Wege von einer energieintensiven Produktion hin zu nachhaltiger, ressourcenschonender Herstellung erläutert.
Die diesjährige vgbe Summer School war wieder ein voller Erfolg und für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation. Den Unternehmen und Instituten eröffnet sich die Möglichkeit der intensiven Vorstellung und Diskussion mit den Studierenden, die ihrerseits die Expertenvorträge und den praxisnahen Einblick als sehr wertschöpfend bewertet haben. Aber auch der Austausch innerhalb der international besetzten Gruppe und das Networking untereinander sind geschätzter und wichtiger Bestandteil der Summer School, wie von einem Studierenden im Anschluss kommentiert wurde: „Finally, it has been a great pleasure to meet a nice group of colleagues who are also passionate about the energy sector and share our knowledge and experiences.”
Auch Dr. Oliver Then zog ein positives Resümee: „Es war uns eine Freude, dass wir auch in diesem Jahr wieder sehr engagierte Teilnehmende am Energie-Campus begrüßen konnten. Die interessanten Gespräche und der Austausch mit den Studierenden sind für uns Ansporn genug, auch im kommenden Jahr wieder eine Summer School mit einem herausragenden Programm stattfinden zu lassen.“
Die Summer School 2024 kann starten und wird sicherlich auch beim 51. Mal wieder zu interessanten Begegnungen und angeregtem fachlichem Austausch führen.