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Review vgbe-Fachtagung „Gasturbinen und Gasturbinenbetrieb“ in Koblenz

Die diesjähriger vgbe-Fachtagung „Gasturbinen und Gasturbinenbetrieb“ hat mit rund 160 in- und ausländischen Teilnehmenden in Koblenz stattgefunden.
Die diesjähriger vgbe-Fachtagung „Gasturbinen und Gasturbinenbetrieb“ hat mit rund 160 in- und ausländischen Teilnehmenden vom 06. Juni bis 07. Juni 2023 in Koblenz stattgefunden. Aufgrund der aktuellen Situation und Relevanz wurden im breit gefächerten Themenportfolio vor allem Vorträge zu Forschung, Entwicklung und Lösungskonzepten zur Wasserstoff-(Mit)verbrennung in neuen und bestehenden Gasturbinenanlagen sowie Wege zur 100% H2-Readiness gehalten. Darüber hinaus wurde über neue Gasturbinen und Anlagenkonzepte, Brennstoff- und Lastflexibilisierung, Upgrade- und LTE-Konzepte und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung berichtet. Der Status und erwartbare Verlauf der Transformation zur klimaneutralen Strom -und Wärmeerzeugung stand ebenfalls auf der Agenda.

Hervorzuheben sind unter anderem zwei Beitrag von Herstellerseite. In den jeweiligen Präsentationen wurden die Entwicklungen der Wasserstoffverbrennung in Gasturbinen sowie erste Betriebserfahrungen aus Pilotanlagen vorgestellt. Dabei sehen die Hersteller nicht nur Wasserstoff im Fokus sondern auch andere voll- oder teilweise treibhausgasneutrale (THG) Brennstoffe rücken in das Blickfeld bei der Entwicklung neuer Gasturbinenkonzepte. Neben verschiedenen Brennstoffen aus biogenen Quellen sind hier auch Wasserstoffderivate wie e-Ammoniak und e-Methanol zu nennen.

Ein Etappenziel im Entwicklungsplan hin zur schadstoffarmen Verbrennung von 100% Wasserstoff wurde vorgestellt: Hier können bei gleichbleibend extrem niedrigen Schadstoffemissionen Erdgas-Wasserstoffgemische mit bis zu 40 vol-% Wasserstoff im Brenngas in einer Industriegasturbine eingesetzt werden. Darüber hinaus wurde ein Ausblick auf zurzeit laufende Entwicklungsarbeiten hin zu einer vollständig flexiblen schadstoffarmen Brennkammer gegeben, die sowohl mit reinem Wasserstoff als auch Erdgas betrieben werden kann.

Das Thema Transformation des Energiesystems ist eng mit dem Thema Wasserstoff verknüpft, der in zunehmendem Maße als emissionsarmer Energieträger zum Einsatz kommen soll, um die volatile Erzeugung aus Erneuerbaren zu flankieren und zu ergänzen. Hierzu wurde ein „Big Picture“ von Nurettin Tekin gezeichnet, der in seinem Vortrag „Big Picture of the energy transition – status quo?“ erläutert hat, dass eine holistische Betrachtung sämtlicher Sektoren erforderlich sei, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, denn nur so können die erforderlichen Maßnahmen erfolgreich ergriffen werden.

Der stellvertretende Vorsitzende des vgbe-Arbeitskreises „Gasturbinen und Gasturbinenbetrieb“, Jens Walter, stellte in seinem Vortrag das vom vgbe interdisziplinär erarbeitet „vgbe-Positionspapier H2 Ready“ sowie das ergänzende „vgbe-Factsheet H2 Readiness für Gasturbinenanlagen“ vor. Mit beiden Publikationen ist es dem vgbe gelungen, aus Sicht seiner Mitglieder „H2 Ready“ zu definieren und die Debatte um diesen viel diskutierten Terminus zu versachlichen.

Das ergänzende Factsheet bietet auf Basis einer detaillierten Bewertung der Teilsysteme für Anlagenbetreiber wertvolle Unterstützung bei der Umsetzung von Umrüstungs- oder Neubauprojekten.

Jens Walter

Von großem Interesse war auch der Vortrag von Florian Malotke, der auf die besonderen Eigenschaften von Gastrubinen kleiner Leistungsklassen (bis 38 MW) eingegangen ist. Danach haben zukünftig Eigenschaften wie Kraftstoff-Flexibilität, niedrige Emissionen, geringer Flächenbedarf, vergleichsweise niedrige Betriebskosten, kurze Installationszeit bei verlässlicher und vor allem sehr flexible Fahrweise einen besonders hohen Stellenwert, wenn im Rahmen der Energiewende, Gaskraftwerke zur Deckung der Spitzenlast und zur Unterstützung und Ergänzung der Erneuerbaren zum Einsatz kommen sollen. Vorgestellt wurde ein neue 38-MW-Turbine mit besonderen Schnellstarteigenschaften, die innerhalb von fünf Minuten aus dem kalten Betriebszustand mit Volllast an das Netzt gebracht werden kann, ohne dass es dabei zu übermäßigen Werkstoffbelastungen kommt.

Die sogenannte Wärmewende wird aktuell kontrovers diskutiert. Der Beitrag von Kai Braekler über das neue GuD-Kraftwerk in Herne mit der Erprobung der Fernwärmeauskopplung war in diesem Zusammenhang ein Beispiel dafür, dass Betreiber und Hersteller die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Transformation des Energiesystems und auch der Wärmewende bereits angenommen haben und aktiv gestalten. Am existierenden Kraftwerkstandort und Haupteinspeisepunkt in die Fernwärmeschiene Ruhr (FSR) wurde in Herne-Baukau als Block Herne 6 eine Gas- und Dampfturbinenanlage mit 650 MW elektrischer Leistung und 400 MJ/s Fernwärmeauskopplung errichtet, um das existierende steinkohlebefeuerte Heizkraftwerk Herne 4 zu ersetzen. Das GuD-Kraftwerk wurde am 02.09.2022 vom Betreiber abgenommen und leistete bereits im Vorfeld während der angespannten Situation im Strommarkt des Sommers 2022 einen wertvollen Beitrag zur Versorgungssicherheit. Die FSR wird primär aus Abwärme der Abfallbehandlungsanlagen Karnap und Herten versorgt. Der Kraftwerksstandort Herne leistet deren Besicherung sowie die darüberhinausgehenden Lastanforderungen. Es wurde über erste Betriebserfahrungen berichtet, bzw. die Inbetriebnahmephase, die unter Marktbedingungen durchgeführt werden musste. Auch der Fernwärmebetrieb wurde unter kommerziellen Marktbedingungen erprobt.

Über ein Fuel-Switch-Projekt, das ebenfalls zur Klimaneutralität und damit zur Transformation des Energiesystems beiträgt, wurde von Tim Breining berichtet. In einem primär mit Abfall betriebenen Heizkraftwerk mit kohlebefeuerten Kesseln zur Abdeckung von Spitzenlast während der Heizperiode, werden die Kohlekessel im Rahmen des Fuel-Switch stillgelegt und durch eine moderne Gasturbinenanlage mit zusatzgefeuerten Abhitzekesseln ersetzt. Dabei liegt besonderes Augenmerk auf H2 Readiness, um den Zielen des Betreibers, d.h. Kohleausstieg bis 2028 sowie Erreichen der Klimaneutralität bis 2035, gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang wurden angepasste Brenner sowie einige Nebenanlagen, die für einen Betrieb mit höherem H2-Gehalt notwendig sind, erst bei erwarteter H2-Versorgung gemäß letztem Stand der Technik ausgeführt und geliefert. Eine Umrüstung auf 100% Wasserstoffbetrieb ist bereits im Rahmen des langfristigen Wartungsvertrages vorgesehen und geregelt.

Im letzten Beitrag der diesjährigen Fachtagung wurde der „Status des Wasserstoff-Feldtests im Wiener Kraftwerk Donaustadt“ vorgestellt. Die Projektpartner, die sich auf erfolgreiche Vermittlung von vgbe zu diesem Feldversuch zusammengeschlossen haben, sind derzeit noch in der Vorbereitungsphase. Von Juli bis September 2023 wir dann unter realen Betriebsbedingungen 15 vol.-% grüner Wasserstoff mitverbrannt, was zu einer jährlichen Einsparung von rund 33.000 t CO2 am Standort beitragen könnte. Weitere Maßnahmen zur Steigerung des Wasserstoffanteils in den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sind geplant.

Dank der fachlich anregenden Moderation durch den Vorsitzenden des vgbe-Fachausschusses „Gasturbinen und Gasturbinenbetrieb“, Dr. Manfred Freimark und Professor Uwe Gampe, wurden die Vorträge wertschöpfend diskutiert. Auch die Abendveranstaltung am Ende des ersten Veranstaltungstages sowie die begleitende Fachausstellung, auf der sich die Teilnehmenden über die Produkt- und Leistungsfelder der Gasturbinenindustrie informieren konnten, boten wieder reichlich Raum zum intensiven Netzwerken und für den vertiefenden fachlichen sowie persönlichen Austausch der Gasturbinenexperten.

Das vgbe-Team bedankt sich bei allen Teilnehmenden, Vortragenden und Ausstellern für ihre wertvollen Beiträge, die erneut maßgeblich zum erfolgreichen Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben und freut sich auf die nächste Gasturbinentagung, die 2025 stattfinden wird. Der genaue Termin sowie der Tagungsort werden rechtzeitig bekanntgegeben.