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Review vgbe-Chemiekonferenz in Dresden mit 170 Teilnehmenden

Die vgbe-Chemiekonferenz hat in diesem Jahr zum 58. Mal vom 25. bis 27. Oktober 2022 in Dresden mit rund 170 Teilnehmenden aus dem In- und Ausland stattgefunden.
Die vgbe-Chemiekonferenz hat in diesem Jahr zum 58. Mal vom 25. bis 27. Oktober 2022 in Dresden mit rund 170 Teilnehmenden aus dem In- und Ausland stattgefunden. Wie in den Vorjahren, wurde auch die diesjährige Veranstaltung wieder von einer informativen Fachausstellung begleitet, auf der 18 Aussteller ihre Produkte und Dienstleistungen vorgestellt haben.
Cemie22Aus_2000

Nach der Eröffnung stand die Veranstaltung zunächst ganz im Zeichen des vgbe-Regelwerks. Die vgbe-Standards reflektieren den Stand der Technik für die Erzeugung und Speicherung von Strom und Wärme. Vor allem im Bereich der Kraftwerkschemie hat der vgbe in den vergangen Jahrzenten eine Reihe international anerkannter Standards veröffentlicht. Dazu zählen unter anderem auch der vgbe-Standard S-010 „Speisewasser-, Kesselwasser und Dampfqualität für Kraftwerke/Industriekraftwerke“ sowie die „Kühlwasserrichtlinie“ VGB-R455P. In zwei Vorträgen hat Michael Rzhia, der bei beiden Revisionen maßgeblich mitgewirkt hat, über die Revision, bzw. die Überführung der VGB-Richtlinie VGB-R455P in einen vgbe-Standard, referiert.

Der vgbe-Standard S-010 wurde in 2011 als Revision für die frühere „VGB-Richtlinie 450 für Speisewasser-, Kesselwasser- und Dampfqualität für Kraftwerke/ Industriekraftwerke“ eingeführt. Der vgbe-S-010 stellt die Summe der gesammelten Erfahrungen aus der Kraftwerkschemie dar und deckt sämtliche Druck­be­reiche ab, die bei Kesseln zur Erzeugung von Wärme, Dampf und/oder Elektrizität anstehen. In den vergangenen 11 Jahren hat sich dieser Standard etabliert. In 2020 wurde jedoch vereinbart, diesen vgbe-Standard zu überarbeiten und dabei die neuesten technischen Entwicklungen und Herausforderungen zu berücksichtigen, wie z. B. den zyklischen Anlagen­be­trieb, den verstärkten Einsatz von Konditionierungs­chemikalien auf Aminbasis sowie weitere Konstruk­ti­ons­merkmale von GuD-Anlagen etc.
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Michael Rzhia

In dem Vortrag wurde der Stand der Überarbeitung vorgestellt: eine international besetzte Arbeitsgruppe hat 80 Einzelthemen identifiziert, die überarbeitet, zur weiteren Präzisierung umgeschrieben oder auch als neue Informationen integriert werden sollen. Die Überarbeitung ist nun weitgehend abgeschlossen, sodass mit einer zeitnahen Veröffentlichung gerechnet werden kann.

In seinem zweiten Vortrag zum vgbe-Regelwerk hat Michael Rziha über die Überarbeitung der VGB-Kühlwasserrichtlinie VGB-R 455 berichtet, die nun in einen neuen vgbe-Standard – vgbe-S-455 – überführt wird. Diese Richtlinie wurde im Jahr 2000 als Ersatz für die Ausgabe von 1990 veröffentlicht. Seit 2010 wurden mehrere Versuche der Überarbeitung unternommen, diese mussten jedoch immer wieder unterbrochen werden, unter anderem wurde auch die Fertigstellung der 42. BImSchV und der VDI 2047 („Legionella“) abgewartet, die mit eingearbeitet werden sollten. Seit Mai 2021 hat eine neu aufgestellte Arbeitsgruppe den Standard nun zügig überarbeitet, und auch hier ist mit der baldigen Veröffentlichung zu rechnen. Im Vergleich zur bisherigen Richtlinie VGB-R 455, werden in dem vgbe-S-455 mehr Aspekte über Kühlwassersysteme, Kühlwasseraufbereitung, Materialien und andere relevante Themen abgedeckt. Darüber hinaus konzentriert sich der Standard nicht nur auf Kraftwerke, sondern behandelt auch den Betrieb und die Eigenschaften anderer industrieller Kühlsysteme, wie Müll -und Biomasseverbrennungsanlagen, Stahlwerke, Raffinerien, die chemische Industrie usw. Soweit sinnvoll und möglich, wurden nicht nur deutsche, sondern auch europäische und internationale Normen und Vorschriften berücksichtigt.

Nana Mattiß
Das gesamte Vortragsprogramm umfasste insgesamt 24 Beiträge. Hier ist unter anderem die Präsentation von Nana Mattiß „Eisenproblematik im Wasser-Dampfkreislauf“ zu erwähnen. In einer in 2019 neu errichteten GUD-Anlage kam es seit der Inbetrieb­nahme trotz Einsatz einer Kondensatreini­gungs­anlage (mechanisch und physikalisch) immer wieder zu Qualitätsproblem im Wasser, die durch Verschmut­zungen am Probenahmesystem sichtbar waren. Ursächlich für diese Qualitätsdefizite waren höchstwahrscheinlich erhöhte Eisenfrachten. In 2021 wurde ein Trübungsmessgerät eingesetzt. Es konnten mehrere Abhängigkeiten zwischen Konditionierung und Sauerstoffeintrag eindeutig nachgewiesen werden.

Darüber hinaus haben die Auswirkungen einer recht kurzzeitigen (von nur wenigen Minuten) Fahrweise mit „schlechten Parametern“ sehr überrascht und es konnte der grundlegende „Nebenprozess“ als Verursacher identifiziert werden.

Diese Problemstellung wurde auch in einem Beitrag von Lars Dittmar adressiert. In dem Beitrag „Verhalten und Auswirkungen von Korrosionsprodukten bei Anlagen mit häufigen Anfahrvorgängen und deren Überwachung – Trübungsmessung als Trendmonitor für partikuläre Korrosionsprodukte“ wurden die Schwierigkeiten bei der Online-Analyse zum Nachweis von Eisen und anderen Korrosionsprodukte erläutert. In der Regel werden diese Analysen mit großem Zeitaufwand im Labor durchgeführt. Eine Online-Trendanalyse wird jedoch verstärkt notwendig und nachgefragt. In dem Vortrag wurden neben den theoretischen Grundlagen auch die Möglichkeiten des Einsatzes von ISO 7027-konformen Trübungsmessgeräten zur kontinuierlichen Trendanalyse von Korrosionsprodukten im Kraftwerksbetrieb dargestellt sowie deren Grenzen aufgezeigt.

Wirkungsgradverbesserungen sind stets Teil des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses bei jedem technischen Verfahren. André de Bache hat in seinem Beitrag „Kurita Dropwise Technologie zur Verbesser­ung des Wirkungsgrads von Kraftwerkskondensatoren“ vorgestellt, wie die Wärmeübertragung verbessert werden kann. Der in industriellen Kesselanlagen erzeugte Dampf wird je nach Verwendungszweck des erzeugten Dampfes meist als Wasserfilm kondensiert, z. B. in Wärmetauschern, Kondensatoren, Trocken­zylindern etc. Der so entstandene dünne Kondensat­film wirkt wie ein Isolator, der die Wärmeleitung im Produktionsprozess erheblich behindert.
André de Bache

Es wurde dargestellt, wie der Flüssigkeitsfilm aus kondensiertem Wasser auf Metalloberflächen durch die Anwendung der „Kurita Dropwise Technology“ auf Basis filmbildender Substanzen reduziert werden kann. Bei diesem Verfahren werden hydrophobe Oberflächenbedingungen geschaffen und verlagern die filmartige Kondensation in eine tropfenweise Kondensation, sodass die Wärmeübertragungseffizienz erhöht wird.

Lieferengpässe, die mittlerweile die gesamte Industrie beeinträchtigen, machen auch vor dem Kraftwerksbetrieb nicht Halt und stellen die Kraftwerkschemiker vor besondere Herausforderungen. Dementsprechend hat dieses Thema in den Diskussionen breiten Raum auf der diesjährigen vgbe-Chemiekonferenz eingenommen. So wurde ein Wechsel von Salzsäure auf Schwefelsäure mit den entsprechenden Nachteilen diskutiert und auch der Einsatz von mobilen Umkehrosmoseanlagen in Betracht gezogen. Allerdings gibt es hier mittlerweile ebenfalls Lieferengpässe.

Der Beitrag von Anne Wiesel hat eindrucksvoll demonstriert, dass Wissen um chemische Vorgänge im Wäscherbereich vorhanden ist und genutzt werden kann. In ihrem Vortrag „Erhöhte Nitratkonzentration im REA-Abwasser eines Steinkohlekraftwerks“ wurde die Frage gestellt, welche unvorhergesehenen Überraschungen ein veränderter Kohleeinsatz mit sich bringt? Neben den Lieferengpässen zählt z.B. auch der Einsatz von Kohle geänderter Provenienzen zu den Herausforderungen der aktuellen Energieversorgung. Im vorliegenden Fall wurde der Einsatz schwefelarmer Steinkohle und der festgestellte Anstieg der Nitratkonzentration im REA-Abwasser beschrieben. Zum Verständnis des Ursache-Wirkungs-Prinzip und zur möglichst raschen Beseitigung der Ursache ist ein tiefer Einstieg in die Reaktionsgleichungen der REA-Chemie erforderlich und kann auf das Wissen aus den 90er Jahren, das insbesondere von der Arbeitsgruppe um Prof. Gutberlet erarbeitet wurde, zurückgegriffen werden. In dem Beitrag von Anne Wiesel wurde ein Erklärungsansatz geliefert, ohne vollständige und aufwändige Analytik der REA-Prozesse.

Im Anschluss an die Vorträge gab es ausreichend Raum für Diskussionen, die bereits beim Get-Together am Vorabend der Veranstaltung begonnen hatten und bei der Abendveranstaltung am ersten Konferenztag fortgesetzt wurden. Das „vgbe-Familientreffen der Kraftwerkschemiker“, wie man diese traditionsreiche vgbe-Konferenz durchaus bezeichnet kann, hat erneut gezeigt, wie wertvoll der persönliche Kontakt und das Networking der Kraftwerkschemiker ist. Dieses Veranstaltungsformat schafft den nötigen Rahmen, die aktuellen Trends breit zu diskutieren und zu analysieren.

Das vgbe-Konferenzteam bedankt sich bei seinen Sponsoren Swan Analytical Instruments AG, Kurita Europe GmbH und Purolite GmbH sowie bei allen Teilnehmenden, Vortragenden und Austellern für ihren wertvollen Beitrag zu dieser gelungenen Veranstaltung.

Das vgbe-Team freut sich auch in 2023 auf ein neues „Familientreffen“ auf der 59. Chemiekonferenz, die vom 24. Bis zum 26. Oktober 2023 im Maritim Hotel in Ingolstadt stattfinden wird.