Die 57. vgbe-Chemiekonferenz fand in diesem Jahr wieder als Präsenzveranstaltung statt. Auch diese Chemiekonferenz wurde wie üblich von einer Fachausstellung mit 21 nationalen und internationalen Ausstellern begleitet. Den rund 160 Teilnehmern wurde ein interessantes Vortragsprogramm geboten: Beiträge zu Themen wie häufige Gründe für chemiebedingte Schäden in Kraftwerken, Legionellen in Kühlkreisläufen, Korrosionsvermeidung an Werkstoffen durch unterschiedliche Beschichtungsmöglichkeiten, Schwierigkeiten in der Rauchgasreinigung bei der Umstellung von Kohle- zu Biomasseverbrennung, Quecksilberabscheidung, die vermehrte Erzeugung von Wasserstoff und die damit verbundene notwendige Wasserreinheit sowie der Einzug der Digitalisierung in die Wasserchemie wurden von internationalen Rednern vorgetragen.
Michael Rziha, PPCHEM AG
Hinsichtlich chemiebedingter Schäden in Kraftwerken ist der Vortrag von Michael Rziha, PPCHEM AG, hervorzuheben. In dem Vortrag wurde in eindrucksvoller Weise die Entwicklung der Kraftwerkschemie dargestellt. Seit der folgenschweren Explosion im Kraftwerk Reisholz, die zur Gründung des heutigen vgbe energy und des ersten Speisewasser-Arbeitskreises vor rund 100 Jahren führte, hat die Kraftwerkschemie ihr Wissen und ihre Erfahrungen im technischen Regelwerk gebündelt, heute die sogenannten vgbe-Standards.
Die Aufgaben der Kraftwerkschemiker und -ingenieure beschränkten sich zunächst auf Fragen der Wasserchemie, des Wasserhaushalts und der Werkstoffe. Doch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden konventionell befeuerte Kessel massiv mit Rauchgasreinigungsanlagen nachgerüstet und plötzlich ergaben sich neue und ambitionierte Herausforderungen für die Kraftwerkschemie.
Fossilbefeuerte Anlagen wurden mit „chemischen Fabriken“ (REA-Anlagen) ausgestattet, die Gips produzierten. Diese Entwicklung war allerdings bei den Betreibern nicht willkommen, da dies nicht zu den ursprünglichen Aufgaben der Elektrizitätsversorgung zählte.
Einige Jahre später kamen auch mit Katalysatoren ausgestattete Reaktoren hinzu, um Rauchgase zu denitrifizieren (DENOX-Anlagen). Daher ist der Kraftwerksbetrieb heute ein komplexes Gefüge, das Maschinenbau, Elektrotechnik, Verfahrenstechnik und Chemietechnik umfasst.
Trotz der nachweislich großen Erfolge in der Vergangenheit, ist derzeit jedoch ein abnehmender Stellenwert der Kraftwerkschemie festzustellen (Outsourcing von Laboraktivitäten und Kraftwerksstilllegungen). Gleichzeitig nimmt die Anzahl chemiebedingter Schäden wieder zu, mit den entsprechenden wirtschaftlichen Folgen von erheblichem Ausmaß. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine der wesentlichen Ursachen ist aber der fortschreitende Verlust von Expertenwissen. Erfahrene Kraftwerkschemiker gehen in den Ruhestand ohne jeglichen Wissenstransfer und -management. Aus- und Fortbildung findet aus Kostengründen nicht oder nur wenig statt, es fehlt an den Standorten teilweise an erfahrenem Personal zur wirksamen Überwachung und entsprechender Einstellung der wichtigen Parameter. Eine bedeutende Rolle haben dabei der Erfahrungs- und Informationsaustausch, der besonders auf der Chemiekonferenz und in den vgbe-Chemiegremien stattfindet.
In weiteren Beiträgen wurde die mikrobiologische Analyse von Kühlwasser, bzw. ein 24/7-Hygienemanagement zur vollautomatisierten, kontinuierlichen Messung der Legionellenkonzentration im Hauptkühlwasser vorgestellt, um die Forderungen der 42. BImSchV sowie der UBA-Empfehlungen und verschiedener VDI-Richtlinien zu erfüllen.
Walter Hoffmann, RWE Power AG
Auf der diesjährige vgbe-Chemiekonferenz wurde natürlich auch der Blick auf die vielfältigen zukünftigen Aufgaben im Zusammenhang mit dem globalen Klimaschutz gerichtet. Weltweit werden Milliardenbeträge in die neuen Wasserstofftechnologien investiert. Dementsprechend wurden auf der Konferenz neben den konventionellen Bereichen der Kraftwerkschemie auch die Probleme und Besonderheiten im Zusammenhang mit Wasserstoff aufgegriffen. In dem Vortrag „Eine Zukunft mit Wasserstoff als Brennstoff: Auswirkungen auf die Wasserchemie und die Chemie“ wurden die wachsenden Investitionen der Wasserstofferzeugung untersucht. Der Schwerpunkt lag dabei auf den Trends und Möglichkeiten für bestehende Kraftwerke und KWK-Anlagen sowie auf neue Technologien zur Wasserstofferzeugung. Es wurde speziell auf die Auswirkungen der Wasserreinheit (bei PEM-Elektrolyseuren 0,2 µS oder geringer) und chemische Messungen eingegangen.
Aspekte der Digitalisierung in der Wasserchemie wurden ebenfalls behandelt. Betriebspersonal und Kraftwerkschemiker können nicht aus dem Homeoffice arbeiten, um Anlagen zu steuern und zu überprüfen. Inwieweit kann die Digitalisierung helfen, auch in Krisenzeiten Anlagen sicher zu fahren, unabhängig davon, an welchem Ort sich Techniker und Ingenieure befinden? Der Weg dorthin ist vorgezeichnet. Es sind mittlerweile zahlreiche digitale Analysesensoren auf dem Markt, die als „intelligent“ gelten. Es stellen sich jedoch Fragen hinsichtlich der Datensicherheit.
In einem weiteren Beitrag wurden intelligente Instrumente und intelligente Alarme für die Online-Wasseranalyse diskutiert. Es wurde die Frage nach der Definition von „smart“ gestellt, denn Hersteller und Betreiber definieren und interpretieren diesen Begriff auf sehr unterschiedliche Weise. Die Funktionen eines „intelligenten“ Systems zur Analyse eines Wasser-Dampfkreislaufs wurden vorgestellt.
Erfreulicherweise konnte die Veranstaltung in Präsenz durchgeführt werden. Es wurden jedoch vier Beitrage als On-Line-Präsentationen gehalten. Dabei wurde einerseits deutlich, dass Remote-Präsentationen dazu beitragen können, das Vortragsprogramm noch diverser zu gestalten, um so die Community der Chemiker zu vergrößern. Andererseits ist diese Vortragsform und Konferenzteilnahme kein Ersatz für den wichtigen bilateralen Austausch und den weiteren Diskussionen fernab der Konferenzbeiträge und nicht zuletzt auch mit den Ausstellern und sollte sich auch in Zukunft auf wenige Ausnahmen beschränken.
Dem Informationsaustausch und Netzwerken wurde auch auf der 57. vgbe-Chemiekonferenz wieder breiter Raum gegeben. Die Teilnehmer hatten bereits am Vorabend der Konferenzeröffnung die Gelegenheit beim zwanglosen Get-together in der Ausstellung, zu dem Swan Analytical Instruments AG eingeladen hatte, zum fachlichen und persönlichen Austausch, der über die gesamte Konferenz hinweg in der gut frequentierten Fachausstellung fortgesetzt werden konnte. Der erste Konferenztag wurde mit einer gelungenen Abendveranstaltung mit freundlicher Unterstützung von Kurita Europe GmbH und Purolite GmbH beendet.
Das vgbe-Konferenzteam bedankt sich herzlich bei allen Teilnehmern, Vortragenden, Ausstellern und Sponsoren für ihre Teilnahme und Unterstützung und freut sich, die vgbe-Chemie-Community auch im nächsten Jahr zur 58. vgbe-Chemiekonferenz begrüßen zu dürfen, die vom 25. bis zum 27. Oktober 2022 in Dresden stattfinden wird.
Weitere Infomationen finden Sie auf der neuen vgbe-Veranstaltungsplattform!


