Mit einem modernen und schlanken Konzept, fokussiert auf strategisch-technische Fragestellungen und viel Raum zum Netzwerken und für fachliche Diskussionen, hat der diesjährige vgbe-Kongress vom 14. bis 15. September 2022 in Antwerpen/Belgien stattgefunden.
Die historische Stadt Antwerpen hat mit dem zweitgrößten europäischen Seehafen eine herausragende Bedeutung für die europäische Energieversorgung und war demensprechend ein exzellenter Veranstaltungsort für den diesjährigen vgbe-Kongress, der mit einer großen Anzahl in- und ausländischer Teilnehmender erfolgreich durchgeführt wurde.
Besonders zu erwähnen ist die Teilnahme einer türkischen Delegation im Rahmen einer Studienreise der türkisch-deutschen Energie-Partnerschaft. Die von Dr. Izzet Alagöz, General Manager der Electricity Generation Corporation EÜAS , dem größten öffentlichen Stromversorger in der Türkei, geleitete Delegation, war vor allem am flexiblen Betrieb thermischer Kraftwerke interessiert und hatte auf dem diesjährigen Kongress vielfältige Gelegenheiten, sich mit hochrangigen Vertretern der Branche zu diesem und weiteren Themen auszutauschen.


Hubertus Altmann
Stellvertretender Vorsitzender des vgbe energy Vorstands
So zeigten z.B. die niedrigen Pegelstände der Flüsse in diesem Sommer und die damit einhergegangenen Probleme bei der Kohlebeschaffung oder das für Laufwasserkraftwerke fehlende Schmelzwasser, dass hier dringender Handlungsbedarf bestehe. Die Energiebranche sei bereit, die nötigen Schritte zu gehen. Sämtliche Anstrengungen und Lösungen zur Bewältigung der aktuellen Krise und zur nachhaltigen, klimaneutralen Sicherung der Versorgung bedeuteten jedoch auch immer Technik, und Technik sei vgbe energy! Der Vorstand hat an dieser Stelle einige wichtige Meilensteine der Verbandsarbeit des vergangenen Jahres fokussiert und einige Punkte, wie z.B. die Digitalisierung in der Wasser– und Windkraft mit den vgbe -Digitalisierungsbarometern, der neuen Datenbank zum Benchmark von Windkraftanlagen, die Aktivitäten im Wasserstoffbereich, wie z.B. das vgbe-Positionspapier zu H2-Readyness sowie den Einsatz von RDS-PP® in einem Fischzuchtprojekt in Island erläutert. Weitere Aktivitäten des Verbandes sowie die Neustrukturierung „vgbe2025“ wurden später in einem ausführlichen Bericht des vgbe-Geschäftsführers Dr. Oliver Then dargestellt.
Verleihung der vgbe-Awards
vgbe Innovation Award
Der Innovation Award wird seit mehr als 30 Jahren von der VGB-FORSCHUNGSSTIFTUNG ausgelobt. In diesem Jahr wurde Lukas Kasper (TU Wien) mit dem vgbe-Innovationspreis für seine Arbeit an einer auf die Anforderungen industrieller Energiesysteme zugeschnittenen Digital-Twin-Plattform ausgezeichnet. Digital Twins haben ein enormes Potenzial zur Verbesserung der Effizienz von Industrieanlagen, indem sie zahlreiche digitale Anwendungen ermöglichen. Die Forschungsarbeit von Lukas Kasper zielt darauf ab, einen standardisierten Einsatz eines digitalen Zwillings im Energiesektor zu ermöglichen.

(v.l.n.r.: Hubertus Altmann, Lukas Kasper, vgbe Innovation Award Preisträger 2022, Dr. Oliver Then)
vgbe-Safety and Health Award
Der vgbe-Safety and Health Award unterstreicht die Bedeutung von Sicherheit und Gesundheit bei der Erzeugung und Speicherung von Strom und Wärme und stellt den Menschen in den Mittelpunkt. In diesem Jahr wurde der vgbe-Safety and Health Award zum zehnten Mal vergeben. Der diesjährige Preisträger ist Vattenfall Wind Offshore mit seinem Sicherheitsprogramm „Odelgard: The Culture Programme for Offshore Wind“. David Marples und Jakob Nielsen haben den Preis stellvertretend für Vattenfall Wind Offshore in Empfang genommen. Das Programm zeichnet sich dadurch aus, dass die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen. Es wird eine „Kultur der Sorgfalt“ geschaffen, in der die Mitarbeiter von Vattenfall Wind und seine Auftragnehmer intrinsisch motiviert sind.

(v.l.n.r.: Hubertus Altmann, Stellvertretender Vorsitzender des vgbe energy Vorstands, Jakob Nielsen und David Marples, Vattenfall Wind Offshore, Dr. Oliver Then, Geschäftsführer vgbe energy)
Im Anschluss an die Key Note Speech von Gerrit Jan Schaeffer, dem General Manager des belgischen „Think Tank“ EnergyVille, zum Thema „Energy transition and security of supply in Europe“, wurde der Kongress am Nachmittag mit den Plenarvorträgen ( auf YouTube ) und der Plenardiskussion ( auf YouTube ) fortgesetzt. In der Diskussion wurde die aktuelle Situation zur Versorgungssicherheit und den Energiepreisen intensiv erörtert. Dabei wurden die technischen Möglichkeiten hinsichtlich Klimaneutralität und Redispatch beleuchtet. Die Diskussionsteilnehmer hoben erneut die Notwendigkeit des raschen Markthochlaufs von möglichst grünem Wasserstoff hervor. Im Fazit wurde festgehalten, dass die Unternehmen der Energiebranche ihr Möglichstes tun, um die Versorgungssicherheit im Strom- und Wärmesektor aufrecht zu erhalten. Es wurde jedoch erneut an die Politik appelliert, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Unternehmen in die Lage versetzt werden, ihre Ziele zeitnah und zielgerichtet zu verfolgen.

Gerrit Jan Schaeffer
Der erste Kongresstag endete mit einer wohlschmeckenden, von ENGIE gesponserten, Abendveranstaltung im Chocolate Nation Museum. Hier hatten die Kongressteilnehmer die Gelegenheit, die Diskussionen und Fachgespräche des ersten Kongresstages fortzusetzten.
Der zweite Kongresstag wurde in vier Sektionen fortgesetzt:
- Market and Regulation
- Decarbonisation
- Renewables and Storage
- Repurposing
In einem Beitrag von Carsten Pape et al wurden die Ergebnisse der vgbe-Studie „Security of supply 2025“ vorgestellt. Im Rahmen dieser Studie wurde die Versorgungssicherheit in Deutschland unter Berücksichtigung aller erneuerbaren Energien, der erforderlichen Reservekraftwerke, des europäischen Strommarktes und des deutschen Stromnetzes bewertet. Im Fokus der Studie, deren Modellierungen überwiegend vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine abgeschlossen wurden, stand der Ausbau der fluktuierenden erneuerbaren Energien und die Erreichung der Klimaziele. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Versorgungssicherheit auf dem Strommarkt in Deutschland trotz des Kernenergie- und Kohleausstiegs gewährleistet ist. Bei der Analyse des Stromnetzes hat sich gezeigt, dass der Einsatz der Kraftwerke in der Netzbetriebsführung (z.B. Redispatch, Einsatz der Netzreserve) in der Lage ist, die Engpässe für das vorliegende Szenario im Jahr 2025 zu überwinden.
In der Sektion „Dekarbonisierung“ ist der Vortrag von Alexander Tremel und Rolf Schumacher „Haru Oni efuels – from vision to reality“ hervorzuheben. Das Projekt Haru Oni demonstriert ein breites Spektrum an innovativen, klimarelevanten Technologien gebündelt an einem Standort. Synthetische Kraftstoff wird aus Wasser, Windenergie und aus der Luft abgeschiedenem CO2 hergestellt. Es handelt sich dabei um einen flüssigen, CO2-neutralen Energieträger, der z.B. beim Schwertransport, in der Luftfahrt oder der chemischen Industrie zum Einsatz kommen kann.
In der Sektion „Renewables and Storage“ ist der Beitrag von Martin Schönberg „Hydropower and taxonomy – Level playing field for renewables or imbalance?“ zu erwähnen. Martin Schönberg hat in seinem Beitrag gezeigt, dass auf EU-Ebene gleiche Wettbewerbsbedingungen für Energieerzeugungstechnologien eine Illusion seien, da sie weder von den politischen Entscheidungsträgern noch von der Energiewirtschaft angestrebt würden. Die EU-Taxonomie sei ein sehr gutes Beispiel, um erstens zu verdeutlichen, wie ungleich erneuerbare Energien behandelt werden, und zweitens, um den unausgesprochenen Paradigmenwechsel in der EU-Politik zu verstehen: weg von der Technologieneutralität hin zur Förderung bestimmter Technologien.
Die Programmgestaltung mit ausreichenden Pausen hat genügend Zeit zur Diskussion eingeräumt und wurde von den Teilnehmenden dementsprechend genutzt, um die aktuellen Beiträge und herausfordernden Themen breit zu erörtern.
Wie bei allen vgbe-Veranstaltungen stand die persönliche Begegnung und der Ausbau der Netzwerke auch beim diesjährigen vgbe-Kongress wieder weit oben auf der Agenda. Die angeregten Diskussionen und Gespräche im Vortragssaal und am Rande der Veranstaltung sowie beim Get-together und der Abendveranstaltung haben gezeigt, dass das vgbe-Organisationsteam dafür wieder den richtigen Rahmen geschaffen hat und die Erwartungen der Teilnehmenden erfüllen konnte.
Das vgbe-Team dankt ENGIE und Uniper für ihr Sponsoring sowie allen Vortragenden und Teilnehmenden, die maßgeblich zur erfolgreichen Durchführung des diesjährigen vgbe-Kongresses beigetragen haben.
Das vgbe-Organisationsteam schaut bereits heute in die deutsche Hauptstadt und freut sich auf einen neuen spannenden vgbe-Kongress 2023, der am 20. und 21. September 2023 in Berlin mit interessanten Vortragenden, internationalem Publikum, wertschöpfenden Diskussionen und einem attraktiven Rahmenprogramm stattfinden wird.
