Diversifizierte Lieferketten: Europas Schlüssel zu nachhaltiger und sicherer Energie
Dr. Christian Bruch
Eine resiliente Energieversorgung ist das Fundament jeder gesellschaftlichen Entwicklung. Sie vereint Nachhaltigkeit, Sicherheit und Bezahlbarkeit und bildet die Basis für das Gelingen der Energiewende. Die Notwendigkeit, diesen Dreiklang zu gewährleisten, wird durch die gegenwärtigen globalen Herausforderungen immer deutlicher. Die europäische Gaskrise im Jahr 2022, ausgelöst durch den russischen Angriff auf die Ukraine, hat gezeigt, dass wir uns nicht von einzelnen Ländern abhängig machen dürfen. Vielmehr müssen wir unsere Lieferketten diversifizieren, um eine sichere und stabile Energieversorgung zu gewährleisten.
Die Herausforderung, vor der wir stehen, geht also über den bloßen Übergang zu saubereren Energiequellen hinaus. Eine resiliente Energieversorgung beinhaltet auch widerstandsfähige und wettbewerbsfähige Lieferketten – sowohl auf nationaler als auch globaler Ebene. Wie Mario Draghi in seinem jüngsten Bericht herausgestellt hat, ist die direkte Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Lieferkette entscheidend für eine erfolgreiche europäische Industriepolitik.
vgbe Congress 2024: Eröffnungsrede
Georg Stamatelopoulos
Der vgbe Congress 2024 stand unter dem Motto „Energiewende und Herausforderungen an die Versorgungsketten – Mission impossible?“. Neben den bekannten technischen, regulatorischen und politischen Herausforderungen stehen auch die Verfügbarkeit von Kapital und die Sicherheit der Lieferketten als Voraussetzungen fürs Gelingen der Energiewende. Die Energiebranche hat im vergangenen Jahr in Sachen Klimaschutz, erneuerbare Erzeugung und Versorgungssicherheit erneut ihren Beitrag „geliefert“. Der vgbe hat sich der Herausforderung, dass die Energiewende auch eine Technologiewende ist, voll angenommen. Als technischer Verband für Energieanlagen steht für uns die umzusetzende Technik im Fokus.
vgbe Congress 2024 – vgbe verleiht 6 Awards für herausragende Leistungen
vgbe energy
Unter dem Motto „Erfolge sichtbar machen“ zeichnet vgbe herausragende Leistungen in der Energiebranche aus, um wichtige Themenbereiche, die für Unternehmen in der Strom- und Wärmeerzeugung von großer Bedeutung sind, hervorzuheben. Auf dem vgbe Congress 2024 wurden der vgbe Innovation Award 2024, der vgbe Quality Award 2024 und der vgbe Safety & Health Award 2024 verliehen und damit alle Auszeichnungen dieser Art des Verbandes.
Kraftwerksstrategie – Ein Lösungsvorschlag
Sebastian Bührdel, Uwe Lenk, Hartmut Liebisch und Uwe Neiß
Die Defossilisierung der Energieversorgung ist zur Zukunftssicherung unvermeidlich. Dazu genügt es nicht, die Stromproduktion in Deutschland auf Windkraft, Sonnenlicht und Biomasse umzustellen. Es muss auch der zukünftig steigende Strombedarf von Rechenzentren, Industrie, Gesundheitssystem, Gewerbetreibenden, Landwirtschaft, Verwaltung und Bevölkerung berücksichtigt werden. Die Kombination von zunehmender Elektrizitätsnachfrage mit einer ebenfalls zunehmenden wetterabhängigen Stromproduktion zur Bedarfsdeckung führt ohne Gegenmaßnahmen zu Versorgungsengpässen. Deshalb ist ein Ausgleich zwischen Stromangebot und Nachfrage erforderlich. Die dazu notwendigen technischen Maßnahmen erfordern erhebliche Investitionen in Erzeugung, Transport, Verteilung, Speicherung und alternative Energieträger. Neben der Stromerzeugung wird zum Ausbau der Netze der Hauptanteil der Investitionssumme benötigt. Die Kombination aus großen leistungsstarken Kapazitätskraftwerken, KWK-Anlagen im mittleren Leistungsbereich, eine effizientere und stärkere Nutzung von Biomasse und verschiedene Energiespeicherlösungen ermöglicht den schrittweisen Aufbau der zukünftigen regenerativen Energieversorgung. Voraussetzung sind Transparenz, Ehrlichkeit und Partizipation. Individuelle, spezifische Versorgungs- und Wertschöpfungsbeiträge schaffen Akzeptanz und Erfolgserlebnisse.
Weltweiter Überblick über Hochtemperaturspeicher (100 bis 2.000 °C): Technologie und Demonstrationsanlagen
Bärbel Epp
Hochtemperatur-Wärmespeicher (ab 100 °C) sind ein wichtiger Pfeiler für die Energiewende im Industriesektor. Einige Lösungen ermöglichen sogar die Energiespeicherung bei Temperaturen um die 2.000 °C – heiß genug, um energieintensive Industriesektoren wie Zement und Stahl zu versorgen. Diese Geschäftsmöglichkeiten scheinen sehr attraktiv zu sein. Der Markt der Anbieter von Hochtemperaturspeichern wächst ständig und die Anbieter berichten von einer hohen Nachfrage nach ihren Produkten und Systemlösungen. 31 Unternehmen aus 12 Ländern haben an einer Umfrage Anfang 2024 teilgenommen und Angaben zu ihrer Technologie, ihren Kundengruppen und dem TRL ihrer Produkte gemacht. Die Marktstudie wurde von Natural Resources Canada finanziert.
Altersbedingter Umbau von Nasszellenkühltürmen im laufenden Kraftwerks- und Raffineriebetrieb ohne Einschränkungen in der Kühlleistungs-Verfügbarkeit
Lars Wittenbecher, Jan C. Hintzen und Christoph Meyer
Das Projekt RKB Leuna/Ersatzmaßnahmen Kühltürme wurde von der RKB Raffinerie-Kraftwerks-Betriebs GmbH in Zusammenarbeit mit der IQONY Solutions GmbH als Owner’s Engineer und der ENEXIO Service GmbH als Generalunternehmer somit unter Berücksichtigung aller terminlichen und qualitativen Anforderungen sowie unter Einhaltung des vorhandenen Budgets realisiert – eine Teamleistung, die insbesondere vor dem Hintergrund der betrieblichen Anforderungen und Randbedingungen sowie der mit COVID-19 einhergehenden Umstände und Einschränkungen als erfreulicher Erfolg zu werten ist. Das Projekt hat darüber hinaus auch den Grundstein für eine Reihe weiterer Projekte bzw. Maßnahmen zur Dekarbonisierung und Modernisierung gelegt, im Rahmen derer die CO2-Emissionen des Raffinerie-Kraftwerkes bis zum Jahr 2027 um ca. 75 % reduziert werden sollen.
Das Biomasse-Heizkraftwerk Hannover-Stöcken – ein Beitrag zur „grünen Transformation“
Detlef Simon
Potential der Nachnutzung von Sicherheitsbehältern im Rückbau befindlicher Druckwasserreaktoren als Wasserstoffspeicher
Daniel Hofer, Arnulf K. Hörtnagl, Jörg Missbach, Stephanie Renner, Winfried Wilke und Michael Olbricht
Sicherheitsbehälter von Druckwasserreaktoren (DWRs) sind sehr große kugelförmige Stahlbehälter mit Durchmessern von ca. 50 m. Diese Druckbehälter sind hochwertige mit großem Fertigungs- und Prüfaufwand hergestellte Apparate. Durch das große Speichervolumen zusammen mit einem für diese Baugröße sehr hohen maximal zulässigen Druck von bis zu 5,3 bar können große Mengen an Wasserstoff gespeichert werden. Im Vergleich zu Hochdruck oder Verflüssigungsverfahren ist keine zusätzliche Kompressions- und Kühlleistung erforderlich. Die Behälter könnten als großvolumige Wasserstoffspeicher für zukünftige Kraftwerke dienen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Hierzu werden technisch sehr einfach umsetzbare Konzeptvorschläge vorgestellt, deren Realisierung einen Beitrag zur Energietransformation leisten könnte.
Das ungenutzte Potenzial der industriellen Elektrifizierung erschließen
Eurelectric
DNV: Energy Transition Outlook 2024 – Eine globale und regionale Prognose bis 2050
DNV
Editorial

Dr. Christian Bruch
Vorstandsvorsitzender der
Siemens Energy AG
Diversifizierte Lieferketten: Europas Schlüssel zu nachhaltiger und sicherer Energie
Liebe Leserinnen und Leser,
Eine resiliente Energieversorgung ist das Fundament jeder gesellschaftlichen Entwicklung. Sie vereint Nachhaltigkeit, Sicherheit und Bezahlbarkeit und bildet die Basis für das Gelingen der Energiewende. Die Notwendigkeit, diesen Dreiklang zu gewährleisten, wird durch die gegenwärtigen globalen Herausforderungen immer deutlicher. Die europäische Gaskrise im Jahr 2022, ausgelöst durch den russischen Angriff auf die Ukraine, hat gezeigt, dass wir uns nicht von einzelnen Ländern abhängig machen dürfen. Vielmehr müssen wir unsere Lieferketten diversifizieren, um eine sichere und stabile Energieversorgung zu gewährleisten.
Die Herausforderung, vor der wir stehen, geht also über den bloßen Übergang zu saubereren Energiequellen hinaus. Eine resiliente Energieversorgung beinhaltet auch widerstandsfähige und wettbewerbsfähige Lieferketten – sowohl auf nationaler als auch globaler Ebene. Wie Mario Draghi in seinem jüngsten Bericht herausgestellt hat, ist die direkte Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Lieferkette entscheidend für eine erfolgreiche europäische Industriepolitik.
Der Weg in eine nachhaltige Zukunft erfordert beispiellose Investitionen in erneuerbare und flexible Erzeugungstechnologien, die Speicherung erneuerbarer Energien und die Netz-Infrastruktur. Doch jenseits der Investitionen bedarf es einer strategischen Überprüfung des gesamten Lieferketten-Ökosystems.
Globale politische Dynamiken haben die Schwachstellen in unseren Lieferketten verdeutlicht. Eine starke Abhängigkeit von einzelnen Märkten für kritische Rohstoffe und strategische Komponenten hat das Risiko, die Clean-Tech-Industrie geopolitischen Spannungen auszusetzen.
In diesem Spannungsfeld funktioniert der traditionelle Ansatz des „niedrigsten Preises“ nicht mehr. Resilienz hat ihren Preis, der anerkannt und in die Marktstrukturen integriert werden muss. Resilienz bedeutet Wandel: vom Kostenfokus hin zu einem Wertfokus.
Es braucht faire Wettbewerbsbedingungen und qualitative Kriterien bei Ausschreibungen, statt nur auf den niedrigsten Preis zu setzen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Europa nach der Solarbranche auch andere Industrien an China verliert. Das sollte sich Europa nicht leisten. Europa braucht eine robuste und ganzheitliche Industriepolitik, die faire Wettbewerbsbedingungen und robuste Lieferketten umfasst.
Die Herausforderungen in der Lieferkette sind demnach vielschichtig. Vom Einkauf und der Beschaffung aus verschiedenen Regionen bis hin zu den kritischen Rohstoffen, auf die wir angewiesen sind, muss jedes Glied in der Kette optimiert werden. Die Diversifizierung der Lieferketten und die Investition in alternative Quellen sind entscheidende Schritte in diese Richtung. Zum Beispiel werden mehr als 90 % der seltenen Erden, die die EU als kritisch einstuft, aus China bezogen. Dies zeigt die Dringlichkeit, alternative Quellen zu erschließen und in deren Kapazitäten zu investieren, um unsere Abhängigkeit zu reduzieren und die Resilienz unserer Lieferketten zu stärken.
Der Aufbau einer resilienten Lieferkette erfordert auch eine engere Abstimmung mit Regulierungsbehörden, um Richtlinien und Standards zu vereinfachen. Und die Unternehmen müssen eine vorausschauende Einkaufsstrategie entwickeln. Dies umfasst langfristige Prognosen, gepaart mit Bestandsmanagement und Sicherheitsbeständen, um potenzielle Unterbrechungen vorauszusehen und abzumildern.
Der Aufbau widerstandsfähiger Lieferketten ist komplex. Um sie zu errichten, braucht es fairen Wettbewerb und damit die Abkehr vom Ansatz des „niedrigsten Preises“, die Etablierung vertrauenswürdiger Partnerschaften sowie eine vorausschauende Einkaufsstrategie. All dies unterstützt eine robuste europäische Industriepolitik, die für das Gelingen der Energiewende in Europa unerlässlich ist.