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Ausgabe 12-2023

Die Rolle von Forschung und Entwicklung für die Energiewende

Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Görner

Der drohende Klimawandel hat einen breiten Konsens geschaffen, um den dafür verantwortlich zu machenden Anstieg der Konzen­trationen von CO2 und anderer Klimagase in der Atmosphäre und damit den Temperaturanstieg auf möglichst unter 2 K zu begrenzen. Wenn auch über das Ziel weitgehend Einigkeit besteht, so wird gleichzeitig massiv darüber diskutiert und gestritten, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Dass hier wirtschaftlich starke Länder eine hervorgehobene Verantwortung haben, steht außer Frage. Deutschland hat diese Verantwortung angenommen und bezeichnet die dazu zu erfassenden Maßnahmen als Energiewende.

Die Energiewende kann als Revolution verstanden werden, verliert aber deutlich an Dramatik, wenn sie als zeitlich beschleunigte Evolution verstanden wird, denn dann können Innovationen und Weiterentwicklungen dazu beitragen, die Umbrüche in der Industrie zu bewältigen. Neue Produkte für die Energiewende können dem Exportland Deutschland bzw. Europa als Ganzes neue Märkte erschließen und damit Arbeitsplätze sichern. Hiermit kann den Menschen die Angst vor Arbeitslosigkeit genommen und die Akzeptanz für die notwendigen Veränderungen geschaffen werden.

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Roll-out Digitaler Zwillinge für Erneuerbare Energie Erzeugung

Markus Matschl und Thomas Nemetz

Der Beitrag beschreibt beispielhaft verschiedene Anwendungsfälle des digitalen Zwillings für die Erzeugung erneuerbarer Energien wie Wasserkraft und Photovoltaik. Im Detail werden die digitalen Zwillinge des Speichers Wiestal, des Kraftwerkes Lehen, von Photovoltaikanlagen und sonstiger wichtiger Infrastruktur vorgestellt. Die Vorteile des digitalen Zwillings liegen in der Unterstützung einer räumlichen und visuellen Orientierung sowie einer für Menschen einfachen und intuitiven Bedienoberfläche. Im Beitrag wird gezeigt, wie die digitalen Zwillinge im Asset Management integriert werden und so einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit liefern. Die Verwendung Digitaler Zwillinge begann 2018 bei der Salzburg AG für Flusskraftwerke und Geschiebemanagement.

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Engineeringkonzept für die zukünftige Integration von Automatisierungs- und Monitoringsystemen in Verteilnetzen

Sebastian Raczka und Christian Rehtanz

Die verstärkte Integration von erneuerbaren Energien wie Windkraft- oder Photovoltaikanlagen ist von großer Bedeutung, um in Zukunft unabhängiger von Energieimporten aus dem Ausland zu sein. Dies hat einen erheblichen Einfluss auf die zukünftige Planung und den Betrieb von Verteilnetzen. Durch die Automatisierung in Verteilnetzen kann die Beobachtbarkeit erhöht werden und Planungs- und Betriebsprozesse von Netzbetreibern optimieren. Dazu wurde im Rahmen dieses Vorhabens eine einheitliche, standardisierte und hardwareunabhängige Integration von Automatisierungssystemen für Verteilnetze erprobt. Hierfür werden neuartige Edge-Computing- und Virtualisierungslösungen in Kombination mit einem durchgängigen Engineeringkonzept für die Integration und den Betrieb zukünftiger Verteilnetzautomatisierungssysteme angewendet.

Heizen als Weg in die Zukunft – wie industrielle Prozesswärme effektiv dekarbonisiert werden kann

Camilla Nilsson

Der weltweit größte Anteil am Energiebedarf umfasst die Wärmeerzeugung, die hauptsächlich aus fossilen Brennstoffen stammt. Dies stellt eine große Herausforderung für die Emissionssenkung und die nachhaltige Entwicklung dar, insbesondere im Industriesektor. Der weltweite Bedarf an dekarbonisierter industrieller Prozesswärme beläuft sich auf fast 26.000 TWh jährlich. Etwa 45 % davon (bis zu 500 °C) könnten heute ohne weiteres elektrifiziert werden. Kyoto Heatcube ist eine greifbare Lösung zur effektiven Elektrifizierung von Prozesswärme in der Industrie. Der Einsatz von Heatcube führt zu erheblichen CO2-Reduzierungen.

Die Jagd auf Cyberrisiken in der Netzleit- und Fernwirktechnik von Energieunternehmen

Bashar Deeb

Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass Energieversorgern sowie Übertragungs- und Verteilungsnetzbetreibern noch immer die Sichtbarkeit in ihren industriellen Kontrollsystemen (ICS) und Operational Technology (OT) Netzwerken fehlt. In diesem Beitrag werden Originaldaten vorgestellt, die im Rahmen von Cyberrisikoanalysen und Projekten zur kontinuierlichen OT-Überwachung unter Anwendung eines industriellen Angriffserkennungssystems in Energieunternehmen gesammelt wurden. Es wird analysiert und erklärt, welche Sicherheitslücken in der OT vorherrschen und welche Anomalien und dezentralen OT von Energieunternehmen häufig vorkommen – und dennoch unbemerkt bleiben. Der Beitrag zeigt, dass Betreiber kritischer Infrastrukturen nicht nur auf die Perimetersicherung vertrauen sollten.

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Vorteile des Informationsmanagements über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage – vom Entwurf über den Bau bis hin zu Betrieb und Wartung

Ann-Kathrin Sommer

Auf der Suche nach einer stabilen Energieversorgung und der Verfolgung der Dekarbonisierungsziele steht der Energiesektor vor der Aufgabe, neue Anlagen zu bauen und bestehende Anlagen nachzurüsten. Diese Herausforderung wird durch die Komplexität von Planung, Bau, Betrieb und Wartung eines ganzen Portfolios von Anlagen in einer sich dynamisch verändernden Welt noch verstärkt. Die Zusammenarbeit mit externen Partnern und Lieferanten über alle Lebenszyklusphasen hinweg verkompliziert die Situation zusätzlich. In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, warum das Asset Lifecycle Information Management für Energieversorger so wichtig ist. Wir untersuchen die spezifischen Herausforderungen und Anforderungen und bieten eine ganzheitliche Lösung.

Kosteneffiziente Technologien zur CO2-Abscheidung und Bereitstellung nutzbarer Materialströme

Martin Haaf, Edgardo Coda Zabetta und Mohamed Magdeldin

CO2-Abscheideverfahren werden als unverzichtbar für die globale Dekarbonisierung angesehen. Alle CC-Verfahren verursachen Aufwand und damit Kosten, da zusätzliche Ausrüstung, Energie für den Betrieb und Abgaben für die Speicherung und/oder Nutzung des abgeschiedenen CO2 anfallen. Während diese Kosten weitgehend bekannt sind, sind die potenziellen Kompensationseinnahmen größtenteils unklar. Die kosteneffizientesten CC-Verfahren sind Oxyfuel und Calcium Looping (CaL). Oxyfuel und CaL wurden in den von Sumitomo SHI FW entwickelten Anlagen demonstriert, wobei der Schwerpunkt auf der Dekarbonisierung von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken lag. Aktuell weitet SFW die Technologiedemonstration auf neue Anwendungen aus, darunter Bio-KWK, WtE, Zement und Stahl. SFW strebt eine kommerzielle Demonstration mit Partnern baldmöglichst an.

Anpassung von kohlebefeuerten Blöcken für den weiteren Betrieb in der Übergangszeit der Transformation des polnischen Energiesektors

Jerzy Trzeszczyński, Marcin Hatłas, Wojciech Murzynowski, Radosław Stanek und Ewa Trzeszczyńska

Wie andere EU-Länder versucht auch Polen sein Energiesystem umzugestalten, indem es schrittweise den Anteil der Erzeugung aus emissionsarmen und emissionsfreien Quellen erhöht. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung sollte mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien synchronisiert werden, um die Energieversorgungssicherheit sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft Polens zu gewährleisten und die Bürger finanziell nicht übermäßig zu belasten. Unter den kohlebefeuerten Blöcken, die noch im polnischen Stromnetz betrieben werden, verdienen die Blöcke der 200-MW-Klasse besondere Aufmerksamkeit.

Leistungssteigerung von Dampfturbinen in Teillast durch Optimierung der Regelung im laufenden Betrieb

Jonas Steil und Matthias Schleer

Dampfturbinen für Industrieanwendungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie größeren prozessbedingten Betriebsschwankungen unterliegen. Dabei sollen die Turbinen auch im Teillastbereich oder bei schwankenden Dampfparametern einen möglichst hohen Wirkungsgrad aufweisen. Das von Howden entwickelte Betriebsdatenerfassungssystem „Uptime“ trägt zur Optimierung des Betriebs bei. Eine Leistungssteigerung ist messbar und kann beispielsweise über Uptime nachgewiesen werden. In diesem Beitrag werden die Erkenntnisse aus Entwicklung, Simulation und Betrieb vorgestellt.

Repowering Europe & Bereitstellung sauberer Energie für die Zukunft

eurelectric

Europa steht derzeit vor mehreren Herausforderungen, die sich auf das Energiesystem von morgen und die europäische Gesellschaft insgesamt auswirken werden. Dies erfolgt in einer Zeit, in der sich die Klimakrise verschärft, so dass das Energietrilemma – bezahlbare, sichere und nachhaltige Energie – zu einer wachsenden Herausforderung wird. Ein wichtiger Teil von Europas Antworten auf diese Herausforderung liegt in der direkten Elektrifizierung, unterstützt durch einen starken, integrierten Markt. Sauberer und erneuerbarer Strom, der in Europa erzeugt wird, wird die Emissionen senken und uns auf den Weg zur Energieunabhängigkeit bringen.

World Energy Employment 2023

International Energy Agency (IEA)

Die zweite Ausgabe des Welt-Energie-Beschäftigungsberichts erscheint in einer Zeit extremer Veränderungen im globalen Energiesektor. Der Bericht World Energy Employment (WEE) 2023 verfolgt die Beschäftigungstrends entlang der gesamten Energieversorgungskette in dieser turbulenten Zeit – nach Brennstoff, Technologie, Sektor und Region. Der Bericht gibt auch einen Ausblick auf den Beschäftigungsbedarf im Energiesektor bis 2030, aufgeschlüsselt nach Sektoren und IEA-Szenarien, und skizziert wichtige politische Maßnahmen, die den Ländern helfen könnten, qualifizierte Arbeitskräfte im Energiesektor während des gesamten Übergangs zu motivieren und zu halten.

Bericht: Aussichten für die Finanzierung von Projekten zur Reduzierung von Quecksilberemissionen in Indonesien

Lesley Sloss

In der Vergangenheit hätten sich Schwellenländer wie Indonesien für die Finanzierung von Projekten zur Verringerung der Emissionen aus dem Kohleverbrennungssektor qualifiziert. Da das Pariser Klimaabkommen verlangt, die Kohleverbrennung innerhalb bestimmter Fristen schrittweise zu reduzieren oder sogar ganz einzustellen, stehen heute nur noch Mittel für die vorzeitige Stilllegung oder den Ersatz von Kohlekraftwerken zur Verfügung. Dies wird zwar den Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigen, doch in vielen Wachstumsregionen, in denen Gas und Kernkraft nicht zur Verfügung stehen, wird Kohle ein fester Bestandteil des Grundlast-Energiemixes bleiben, bis zuverlässige, flexible und bezahlbare Alternativen gefunden sind.

Editorial

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Prof. Dr.-Ing. habil. Klaus Görner

Universität Duisburg-Essen
Gas- und Wärme-Institut Essen e.V.
Rhein Ruhr Power e.V.

Die Rolle von Forschung und Entwicklung für die Energiewende

Liebe Leserinnen und Leser des vgbe energy journals,

der drohende Klimawandel hat einen breiten Konsens geschaffen, um den dafür verantwortlich zu machenden Anstieg der Konzen­trationen von CO2 und anderer Klimagase in der Atmosphäre und damit den Temperaturanstieg auf möglichst unter 2 K zu begrenzen. Wenn auch über das Ziel weitgehend Einigkeit besteht, so wird gleichzeitig massiv darüber diskutiert und gestritten, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Dass hier wirtschaftlich starke Länder eine hervorgehobene Verantwortung haben, steht außer Frage. Deutschland hat diese Verantwortung angenommen und bezeichnet die dazu zu erfassenden Maßnahmen als Energiewende.

Die Energiewende kann als Revolution verstanden werden, verliert aber deutlich an Dramatik, wenn sie als zeitlich beschleunigte Evolution verstanden wird, denn dann können Innovationen und Weiterentwicklungen dazu beitragen, die Umbrüche in der Industrie zu bewältigen. Neue Produkte für die Energiewende können dem Exportland Deutschland bzw. Europa als Ganzes neue Märkte erschließen und damit Arbeitsplätze sichern. Hiermit kann den Menschen die Angst vor Arbeitslosigkeit genommen und die Akzeptanz für die notwendigen Veränderungen geschaffen werden.

Neue Ideen und Produkte entstehen aber nur dann, wenn Forschung und Entwicklung an Hochschulen, Forschungseinrichtungen und in der Industrie ihre Kreativität ausleben kann, indem nicht nur von Technologieoffenheit gesprochen, sondern auch gelebt und gefördert wird. Das schließt vor allem die staatliche Förderung aber auch die privatwirtschaftlichen Investitionen in Forschung & Entwicklung – F&E ein. Ideologisch geprägte Lösungsansätze helfen hier nicht weiter. Einzelziele und Randbedingungen für die Erreichung der Klimaziele zu definieren, ist die hoheitliche Aufgabe der Politik. Vor allem Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen legen durch ihre grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung die Basis; die Umsetzung innerhalb dieser Leitplanken ist Aufgabe der Wirtschaft und bei der Energiewende ist dies die Energiewirtschaft.

Der verstärkte Einsatz Erneuerbarer Energien wie Wind, Sonne, Wasser bildet den Kern der Energiewende. Bei der Weiterentwicklung von Windenergieanlagen (WEA) ist eine stete Steigerung der Einheitenleistung zu verzeichnen. Die Photovoltaik (PV)-Technologie wurde in Deutschland mit hoher öffentlicher Förderung weiterentwickelt und in ihrer Leistungsfähigkeit verbessert. Leider ist es nicht gelungen, die Herstellung in Deutschland weltweit wettbewerbsfähig aufzubauen bzw. bestehende Fertigungskapazitäten zu halten. China hat – staatlich gefördert – bei dieser Technologie massiv den Ausbau der Fertigung unterstützt und beherrscht damit heute den Weltmarkt. Ein mahnendes Beispiel dafür, dass Forschung, Entwicklung und Markteinführung aufeinander abgestimmt geplant und umgesetzt werden müssen.

Mit der Stromerzeugung aus Wind und Sonne verbunden ist das Problem der volatilen Darbietung. Tagesgänge und saisonale Einflüsse sind bei der Sonnenenergie planbar, wetterbedingte Abhängigkeiten erhöhen die Volatilität. Beim Wind sind diese Einflüsse noch viel dominanter. Es ergibt sich daraus die Notwendigkeit, die Differenz aus Stromdarbietung und -nachfrage – die sogenannte Residuallast – sicher darzustellen. Dies kann durch Energiespeicher und/oder durch disponible Erzeugung erfolgen.

Die F&E bei der Weiterentwicklung der Strom-Speichertechnologien ist vielschichtig und erstreckt sich z.B. von der Li-Ionen- oder Redox-Flow-Batterie bis hin zur Umwandlung in gut speicherbare Brennstoffe. Eine zentrale Frage ist dabei sehr oft die Verfügbarkeit von notwendigen Grundstoffen (z.B. Li) bei gleichzeitiger Ressourcenschonung.

Eine disponible Erzeugung zur Sicherung der Energieversorgung und der Netzstabilität ist bisher durch große zentrale Kraftwerke erfolgt. Um die Stromnetzinfrastruktur nicht durch die weit­gehend dezentrale Einspeisung des erneuerbar erzeugten Stroms aus Wind und Sonne zu überlasten, muss die disponible, also steuerbare Erzeugungskapazität ebenfalls stärker dezentralisiert werden. Kleinere Leistungseinheiten sind wichtige Entwicklungsli­nien, unabhängig davon, dass diese zu einer Erhöhung des spezifischen Invests (economy of scale) führen.

Sehr entscheidend und in der derzeitigen Diskussion im Fokus stehend ist die Frage der Art des Primärenergieeinsatzes. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern, die inhärent mit einer großen CO2-Emission verbunden sind, ist ebenfalls beschlossen. Stein- und Braunkohle unterliegen gesetzlich festgelegten Stilllegungs­szenarien. Eine drohende Gasmangelsituation – durch das Ausbleiben von Erdgas-, Mineralöl- und Steinkohle-Lieferungen aus Russland in Folge des Ukraine-Kriegs – konnte bei den beiden letzten Primärenergieträgern durch ein massives Ausweichen auf andere Provenienzen kompensiert werden. Bei der leitungsgebundenen Erdgaslieferung war der Ersatz deutlich schwieriger zu organisieren. Ein wichtiger Ersatz wurde durch den Import von LNG realisiert. Die dafür georderten Terminals an unseren Nord- und Ostsee-Küsten wurden in erfreulich kurzer Zeit realisiert und lassen sich in Zukunft für andere, vor allem grüne Energieträger wie Wasserstoff (H2) und Ammoniak (NH3) umrüsten bzw. erweitern. H2 spielt in den meisten Szenarien für unsere zukünftige Energieversorgung eine wichtige, wenn nicht die zentrale Rolle. Auf diese grünen Gase soll im Folgenden noch eingegangen werden.

Die Stromerzeugung durch Kernenergie ist in Deutschland ein schwieriges und sehr ideologiegeprägtes Thema. Politisch ist der Ausstieg aus dieser nahezu CO2-freien Erzeugung beschlossen. Länder in Europa, aber vor allem weltweit, verfolgen eine andere Strategie und setzen teilweise massiv auf diese Technologie. Deutschland hat die weltweit sichersten Kernkraftwerke außer Betrieb genommen und technologische Vorsprünge lassen sich so nur zeitlich sehr begrenzt aufrecht erhalten.

Bei den sogenannten grünen, alternativen Brenn- und Kraft-Stoffen spielt Wasserstoff die zentrale Rolle, da dessen Einsatz mit keinen CO2-Emissionen verbunden ist. Eine Umstellung unserer Energie- und Grundstoff-Wirtschaft auf H2 ist allerdings radikal und grundlegend – systemisch, technisch/technologisch und ökonomisch. Der für eine solche Umstellung notwendige Wasserstoff kann auf keinen Fall alleinig in Deutschland produziert werden. Hier fehlen uns die erneuerbaren Strommengen. Importe aus dem Sonnengürtel der Erde bieten sich hierzu an. Sie erhöhen dabei nicht unsere Importabhängigkeiten, sie verschieben sie nur auf einen anderen Energieträger. Zudem können sehr niedrige Stromgestehungskosten in diesen Regionen perspektivisch zu erträglichen H2-Kosten führen. Ammoniak kann das Problem eines energetisch aufwendigen H2-Transportes lindern helfen, allerdings wird für dessen Herstellung am Ursprungsort und dessen Rück­umwandeln (Cracken) am Nutzungsort zusätzlich Energie benötigt. Eine direkte Nutzung im Kraftwerk kann hier Abhilfe schaffen, es besteht allerdings noch erheblicher F&E-Bedarf für die sichere und umweltverträgliche Nutzung. Alternative Brenn- und Kraftstoffe wie Methanol (MeOH), (bio)LNG, LPG und andere ergänzen dieses Portfolio.

Eine disponible Strom- und Wärmeerzeugung im Kraftwerk kann durch den Einsatz von sogenannten Power-to-X-Technologien (PtX oder P2X) ergänzt und zusätzlich flexibilisiert werden. Der Einsatz von Strom zur Herstellung von Produkten wie Gas (P2G), Brenn- und Kraftstoffen (P2L) oder Wärme (P2H) bieten hierzu einen attraktiven Ansatz, allerdings gibt es für diese derzeit noch keinen Business Case.

Sollen gasförmige oder flüssige Energieträger hergestellt werden, sind dafür meist ein oder mehrere Kohlenstoffatome notwendig. Diese nicht aus fossilen Quellen zu beziehen, ist das Gebot der Stunde. Wird aber CO2 aus großen Punktquellen oder aus Produktionsprozessen (CC – carbon capture) oder direkt aus der Luft (DAC – direct air capture) in diese Produkte eingeschleust, dann kann damit – wenigstens intermediär – CO2 aus der Atmosphäre ferngehalten werden (CC) oder schon in der Atmosphäre befindliches CO2 (DAC) wieder in Stoffkreisläufe eingebunden werden. Carbon Capture-Technologien zur Speicherung von CO2 (CCS – carbon capture and storage) waren politisch vor über 10 Jahren nicht gewollt und eine Speicherung wurde in Deutschland gesetzlich verhindert. Neben der Speicherung von CO2 ist derzeit dessen Nutzung im Fokus (CCU – carbon capture and usage). Heute wird dieser Technologie – in der Summe als CCUS – (carbon capture usage and storage) bezeichnet – ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele zugeschrieben, Forschung auf diesem Gebiet wurde aber über lange Zeit nicht ausreichend gefördert. Wiederum ein Beispiel dafür, dass F&E technologieoffen betrieben und gefördert werden sollte.

Diese Auflistung hat nur die wesentlichsten Veränderungen durch die Energiewende beschrieben, sie erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, macht aber deutlich, dass erhebliche Herausforderungen zu bewältigen sind, die – und davon bin ich fest überzeugt – nur durch eine zukunftsgerichtete, technologieoffene und ideologiefreie Forschung und Entwicklung zu bewältigen sind.

Eine zukunftsgerichtete F&E muss eine Balance herstellen zwischen Erneuerbaren Energien wie Wind, Sonne, Wasser, mit stark volatilem Charakter, und möglichst klimaschonenden, aber disponiblen, d.h. steuerbaren Bereitstellungstechnologien. Dazu müssen alle Lösungsansätze ohne vorherige Einschränkungen betrachtet und analysiert werden. Die Freiheit von Forschung und Lehre darf hierbei nicht ein ständig wiederholtes Mantra darstellen, sondern muss sich in der konkreten Forschungsförderung auch wiederfinden. Einfach klingende Strategien wie die komplette Elektrifizierung von Sektoren oder Branchen klingen zwar gut und versprechen einen maximalen Klimaschutz, sind aber aus diversen Gründen nicht umsetzbar. So können wir als Volkswirtschaft nicht alle unsere Infrastruktur-Assets aufgeben, ohne neue geschaffen zu haben. Ein Erdgasverteilnetz zurückzubauen, um einseitig auf die Wärmepumpentechnologie zu setzen, ohne das Stromverteilnetz (Niederspannungsebene) dafür zu ertüchtigen, ist zum Scheitern verurteilt. Die Wärmepumpentechnologie als solche kann allerdings in der (industriellen) Abwärmenutzung wichtige Beiträge liefern, wozu verstärkte Forschungsanstrengungen notwendig sind.

Hier könnten noch eine Reihe von weiteren Beispielen angeführt werden. Quintessenz ist, dass die Politik die Rahmenbedingungen und die Ziele für den Umbau unserer Energieversorgung vorgeben sollte, die einzelnen Lösungsansätze sollten sich m.E. in einem marktwirtschaftlich orientierten Umfeld aber nur anhand von technisch/technologischen, ökologischen und ökonomischen Kriterien ihren Platz im Markt erobern. Dies klingt selbstverständlich, wird aber häufig durch plakative Strategien kolportiert.
Um der hohen Komplexität des Energiesystems und den mit der Energiewende verbundenen Aufgaben für die Forschung und Entwicklung – grundlagen- wie anwendungsorientiert – gerecht zu werden, verlangt es nach einer gemeinschaftlichen und aufeinander abgestimmten Synchronisation. Im Bereich der Energiebereitstellung – vornehmlich im Bereich der konventionellen Technologien – leistet hierfür die vgbe energy u.a. mit ihrer Forschungsstiftung einen substanziellen Beitrag. Dieser erfolgt durch einen Informationsaustausch zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen, Informationsbereitstellung und deren kritische Diskussion bis hin zur Forschungsförderung, die substanziell die öffentliche Forschung ergänzt.

Parallel spielen aber auch Vereine wie der Rhein Ruhr Power e.V. eine wichtige Rolle bei der Formulierung und dem Anstoß von anwendungsnahen Forschungsprojekten.

Aber auch viele außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie z.B. das Gas- und Wärme-Institut Essen e.V (GWI) – das sich sehr intensiv mit gasförmigen und dabei besonders grünen Brennstoffen wie Wasserstoff und Ammoniak beschäftigt – tragen zur Lösungsfindung bei und sollten noch intensiver in die gesamtsys­temische Diskussion einbezogen werden.

Jeder der hier erwähnten Einrichtung kommt also ein essenzieller Beitrag zu. Wichtig ist aber auch, dass Fachleute und ExpertenInnen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und in ihrem direkten Umfeld zu einer faktenorientierten Verbreitung von Informationen zu Energiethemen beitragen. Dies sollte sich vom persönlichen Umfeld, über energiespezifische Bereiche bis hin zu breit angelegten öffentlichen Diskussionen erstrecken. Nur hierdurch kann wieder eine Versachlichung herbeigeführt werden. Technologieoffenheit ist dafür der zentrale Schlüssel.

Lassen Sie mich das oben Ausgeführte kurz zusammenfassen: Nur durch eine offene und faktenorientierte Diskussion werden wir Akzeptanz für die notwendigen Umbrüche erzielen können. Technologieoffenheit ist hierfür der zentrale Schlüssel, der sich aber auch in der Forschungsförderung widerspiegeln muss. Das Bekenntnis zur Innovationskraft unseres Landes unterstützt dabei die notwendigen Prozesse. Jeder Einzelne sollte aber mit seiner Bereitschaft zum Engagement hierzu beitragen.