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Ausgabe 3-2024

Aktuelle und zukünftige Herausforderungen in der Kraftwerkschemie

Dr.rer.nat. Anne Wiesel

Die Energiewelt ist im Wandel. Dies hat über die Pläne zu Veränderungen in den Kraftwerken auch einen Einfluss auf die Herausforderungen der Kraftwerkschemie. Sowohl in den verschiedenen vgbe-Gremien als auch bei der vgbe-Chemiekonferenz ist es spürbar, dass sich die Themen, die im Fokus sind, verändern.

In den letzten paar Jahren ergaben sich einige wichtige Änderungen in den konventionellen Kraftwerken, wie beispielsweise die Absenkung von Rauchgas- und Abwassergrenzwerten, die die Kraftwerkschemiker immer noch begleiten und die ständig zu neuen Aufgabenstellungen führen. Neben den Grenzwerten an sich müssen auch Bestimmungsgrenzen der Messmethoden teilweise abgesenkt werden, um die Einhaltung der Grenzwerte noch nachweisen zu können. Auch die bestehenden Kraftwerksblöcke müssen stetig optimiert werden: Die Nachrüstung von Onlinemessgeräten muss betrachtet werden, da die Laborbesetzung in der Regel heute kleiner ist als bei dem Bau der Kraftwerksblöcke und dadurch an manchen Stellen Labormessungen nur noch in größeren zeitlichen Intervallen möglich sind. Wasseraufbereitungsanlagen sind oft schon in die Jahre gekommen, wodurch sich ein höherer Betreuungsaufwand und Optimierungsbedarf ergibt.

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Analytik von Steinkohle bei EnBW – Erfahrungen mit Abweichungen im Heizwert

Anne Wiesel

Wo kommen die Abweichungen im Heizwert her? Bei der chemischen Analytik im Steinkohlekraftwerk sind an keiner Stelle die Abweichungen zu anderen Laboren so hoch wie bei Heizwerten der Kohle. Gleichzeitig ist nirgendwo die mögliche finanzielle Auswirkung der Analysenergebnisse so hoch. In diesem Zeitschriftenartikel werden die Erfahrungen des EnBW-Labors bei der Ermittlung der möglichen Ursachen vorgestellt. Nach einer Einführung in das EnBW-Labor wird auf die Unterschiede zwischen den Steinkohleproben eingegangen und im dritten Teil der Einfluss der Normen auf den Heizwert betrachtet.

Reinigung durch Probiotika

Bianca Spindler und Kerstin Keppler

Aufgrund einer Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung durch in Aerosolen enthaltene Legionellen, ist nur der hygienegerechte Betrieb von Rückkühlwerken/Kühltürmen und Nassabscheidern erlaubt. Dies führt dazu, dass in den dazu verwendeten Kühlwässern/ Nutzwässern in der Europäischen Union jährlich 50.000 Tonnen Biozide eingesetzt werden. Um die Mikrobiologie eines wässrigen Systems zu verstehen, muss man die Wasserphase, aber auch die oberflächlichen Beläge und Biofilme bewerten. Probiotika können Systeme auf natürliche Art und Weise reinigen indem sie diese Biofilme verstoffwechseln und sich dazu auf den Oberflächen ansiedeln. Durch die Reinigung verlieren Mikroorganismen, die eng mit Biofilmen verbunden sind, oftmals die Lebensgrundlage. Mittelfristig verbessert sich dadurch nachhaltig und umweltfreundlich die Systemsauberkeit und Hygiene. In einem sauberen System kommt es zu weniger zu mikrobiell bedingten Problemen.

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Beseitigung partikulärer Verunreinigungen aus Kühl- und Zusatzwasser

Friedrich Wilhelm

Heutzutage gibt es mehr Filtersysteme denn je. In flüssigkeitsbasierten Kühlsystemen beispielsweise sind Partikel-Verunreinigungen praktisch unvermeidbar. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen konzentrieren diese sich immer weiter auf und führen früher oder später zu Ausfällen und mitunter kostspieligen Schäden an Komponenten und Rohrleitungen. Während zur Abscheidung feiner Verunreinigungen wie Trübstoffe meist Sand- oder Multimediafilter im Einsatz sind, hat man im Bereich größerer Partikel eine Vielzahl von automatischen Rückspülfiltern zur Auswahl. Welches Filtersystem macht wann den besten Job? Wo liegen die Vorund Nachteile der Systeme? Der Beitrag gibt Antworten auf diese Fragen und berücksichtigt dabei sowohl die technischen Möglichkeiten als auch wirtschaftlichen Faktoren.

Einsatz von Ferndiagnosesystemen auf der Grundlage einer virtuellen Umgebung und digitaler Zwillinge zur Bewertung der Lebensdauer von Energieanlagen

Jerzy Trzeszczyński, Marcin Hatłas, Wojciech Murzynowski und Radosław Stanek

Das polnische Energiesystem stützt sich trotz Investitionen in erneuerbare Energiequellen immer noch überwiegend auf Kohlekraftwerke, wobei die größte Gruppe die Blöcke der 200-MW-Klasse sind. Viele dieser Blöcke sind seit mehr als 200.000 Stunden in Betrieb und haben damit ihre vorgesehene Betriebsdauer überschritten. Der weitere Betrieb erfordert einen individuellen Ansatz bei der Bewertung des technischen Zustands jeder einzelnen Anlage. Um eine erfolgreiche Diagnose durchzuführen und die Verfügbarkeit der Anlagen zu gewährleisten, können virtuelle (digitale) Diagnoseumgebungen auf der Grundlage von Expertenalgorithmen und digitalen Zwillingen effektiv eingesetzt werden. Diese Systeme ermöglichen eine Prognose für sicheren Betrieb, indem sie Simulationen über die Erschöpfung der Lebensdauerreserven unter der Annahme der wahrscheinlichsten zukünftigen Betriebsszenarien durchführen.

Eine Übersicht zu Kraft-Wärme-Kopplungs-Technologien in Abhängigkeit von der zu erreichenden Prozesstemperatur im Bereich von 40 °C bis über 1500 °C & Technologiewirkungsgrade

Torsten Buddenberg, Sven Bosser und Emmanouil Kakaras

Im Rahmen der Energiewende wird die Elektrifizierung von Prozessen an Bedeutung gewinnen, um indirekte und direkte Treibhausgasemissionen der fossilen Brennstoffeg zu vermeiden. Je höher die Prozesstemperatur ist, desto schwieriger ist diese Elektrifizierung. Ein Querschnitt der Technologien wird mit ihren erreichbaren Leistungszahlen und ihren erreichbaren Temperaturen diskutiert und eingeordnet. Dies wird mit dem Einsatz von Brennstoffersatz durch Wasserstoff oder Biogas verglichen und auf den Wärmeverbrauch in Deutschland hochgerechnet. Ebenso wird Power-to-Heat-to Power diskutiert.

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Betriebserfahrungen mit dem Prototyp der Gasturbine MGT8000 im Heizkraftwerk 2, Oberhausen der evo

Christian Steinbach, Philipp Fockenberg, Karim Saidi, Stephan Dors,Oliver Keil und Sebastian Mombeck

Gasturbinen sind hocheffizient, wenn sie in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) eingesetzt werden. Die Energieversorgung Oberhausen AG (evo) betreibt seit Januar 2021 eine neuentwickelte Gasturbine von MAN Energy Solutions SE (MAN-ES). Es handelt sich um eine Gasturbine mit einer elektrischen Leistung von 8,9 MWe und einem elektrischen Wirkungsgrad von 34,1 % (unter ISO-Bedingungen). Durch den Betrieb als KWK-Anlage erhöht sich der Brennstoffausnutzungsgrad auf 90 %. Die Anlage und ihre Einbindung in das örtliche Fernwärmenetz werden vorgestellt. Der Schwerpunkt liegt auf den Betriebserfahrungen, wie Startverhalten und Zuverlässigkeit, aber auch auf aufgetretenen Problemen und deren Lösung.

Additive zur SOX-Abscheidung, Belagsund Korrosionsmanagement im Kessel von WtE-Anlagen

Martin Sindram, Diethelm Walter und Frank Hernitschek

Der Einsatz kalk- und dolomitstämmiger Additive – in vorhandenen Stufen oder als Zusatzmaßnahme – wird behandelt. Der Fokus liegt hier auf dem Einsatz dieser Additive im Feuerraum oder im Kessel von Waste-to-Energy (WtE)-Anlagen. Die Verwendung von Kalkprodukten zur Entschwefelung der Rauchgase im Kessel hat eine lange Tradition und ist unter den Begriffen Direktentschwefelung oder Hochtemperatur-Trocken- Additiv-Verfahren (HT-TAV) bekannt. In einer Vielzahl dieser Anlagen muss dabei neben HCl auch vermehrt SO2 abgeschieden werden. In diesem Beitrag wird über aktuelle Beispiele aus der Praxis berichtet. Möglichkeiten zur Nachrüstung bestehender Anlagen und Konzepte für Neuanlagen werden vorgestellt und Leistungsdaten unter besonderer Berücksichtigung verschärfter Grenzwerte herausgearbeitet. Die verwendeten Betriebsmittel werden hinsichtlich ihrer Anwendung und Eignung behandelt.

Das Potenzial der Kohlenstoffnutzung in einer Netto-Null-Emissionswirtschaft

Qian Zhu

Das Erreichen von Netto-Null-Emissionen (NZE) erfordert verschiedene Ansätze für unterschiedliche Sektoren und ein breites Spektrum an Technologien, darunter Elektrifizierung, Wasserstoff, nachhaltige Biokraftstoffe und Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCUS). Technologien zur Umwandlung von Kohlendioxid (CO2) in ein Produkt mit Mehrwert stoßen aufgrund ihrer potenziellen Rolle bei der Emissionsminderung und in einer NZE-Kreislaufwirtschaft auf zunehmendes Interesse. Kohlenstoffabscheidung und -nutzung (CCU) umfassen eine Vielzahl von Technologien und Prozessen mit unterschiedlichem technischem und kommerziellem Reifegrad und unterschiedlichem Minderungspotenzial für eine Reihe von Anwendungen. Aufgrund ihrer vielseitigen Anwendbarkeit und nachgewiesenen Wirksamkeit ist CCU ein notwendiges Element der Technologiepalette, die eingesetzt werden muss, wenn die Welt NZE erreichen will.

Eurelectric-Positionspapier zur Governance der Energieunion und zu Klimaschutzmaßnahmen

eurelectric

Eurelectric begrüßt die Überarbeitung der Governance-Verordnung und die Diskussion über die eingeführten Instrumente, insbesondere die nationalen Energie- und Klimapläne (NECP). Eurelectric versteht die Verordnung als ein zentrales Element auf dem Weg zu den EU-Klimazielen für 2030.

vgbe Fachtagung „Thermische Abfall-/ Klärschlammbehandlung und Wirbelschichtfeuerungen 2023“

vgbe energy e.V.

Die energetische Nutzung von Abfällen und Klärschlämmen als Ersatzbrennstoff in konventionellen Anlagen ist seit Jahren eine bewährte und erprobte Technik. Den rund 140 Teilnehmenden wurde ein interessantes Vortragsprogramm geboten, das von einer Fachausstellung begleitet wurde.

Editorial

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Dr.rer.nat. Anne Wiesel

Leiterin Produktionsservice
EnBW Energie Baden-Württemberg AG,
Altbach
Vorsitzende vgbe Technical Committee Chemie & Emissionsminderung

Aktuelle und zukünftige Herausforderungen in der Kraftwerkschemie

Liebe Leserinnen und Leser des vgbe energy journals,

die Energiewelt ist im Wandel. Dies hat über die Pläne zu Veränderungen in den Kraftwerken auch einen Einfluss auf die Herausforderungen der Kraftwerkschemie. Sowohl in den verschiedenen vgbe-Gremien als auch bei der vgbe-Chemiekonferenz ist es spürbar, dass sich die Themen, die im Fokus sind, verändern.

In den letzten paar Jahren ergaben sich einige wichtige Änderungen in den konventionellen Kraftwerken, wie beispielsweise die Absenkung von Rauchgas- und Abwassergrenzwerten, die die Kraftwerkschemiker immer noch begleiten und die ständig zu neuen Aufgabenstellungen führen. Neben den Grenzwerten an sich müssen auch Bestimmungsgrenzen der Messmethoden teilweise abgesenkt werden, um die Einhaltung der Grenzwerte noch nachweisen zu können. Auch die bestehenden Kraftwerksblöcke müssen stetig optimiert werden: Die Nachrüstung von Onlinemessgeräten muss betrachtet werden, da die Laborbesetzung in der Regel heute kleiner ist als bei dem Bau der Kraftwerksblöcke und dadurch an manchen Stellen Labormessungen nur noch in größeren zeitlichen Intervallen möglich sind. Wasseraufbereitungsanlagen sind oft schon in die Jahre gekommen, wodurch sich ein höherer Betreuungsaufwand und Optimierungsbedarf ergibt. Trotz bewegter Zeiten ist die Einhaltung der geforderten Speise-, Kesselwasser- und Dampfreinheit im Wasser-Dampf-Kreislauf gemäß VGBE-S-010-00-2023-08 weiterhin essenziell, um kostspielige Schäden an der Turbine und im Kessel zu vermeiden. Die Herausforderungen für die Anlagenteile werden umso größer, da wir heute mit ständigen An- und Abfahrten in unberechenbaren Abständen umzugehen haben. Der genannte vgbe-Standard wurde auch kürzlich revisioniert, um aktuelle Aspekte einfließen zu lassen.

Vor allem im Winter 2022/2023 führten die Lieferschwierigkeiten von Chemikalien zu einem Mehraufwand für die Kraftwerks­chemiker. Neben dem Einsatz von mobilen Umkehrosmose­anlagen in der Wasseraufbereitung, um Regenerierchemikalien für die Ionenaustauscheranlagen zu sparen, waren auch Ersatzstoffe (z.B. für Flockungsmittel) sowie angebotene reduzierte Qualitäten von Hilfsstoffen zu bewerten. Diesbezüglich hatte man sich auch auf den Winter 2023/2024 vorbereitet, jedoch waren die Maßnahmen hier nicht zum Tragen gekommen.

Neue Arbeitsgebiete, mit denen man sich in den vgbe-Gremien beschäftigt, resultieren vor allem aus den „Fuel Switch“-Projekten und weiteren Anlagenneubauten im Zuge der CO2-Minderungsmaßnahmen. So ist die Biomasseverbrennung und deren Einfluss auf die Verschlackung und Rauchgasreinigung zu betrachten, insbesondere die Herausforderung bei einem Wechsel auf 100 % Biomasse. Andere neue Projekte beinhalten die Planung von „Carbon Capture and Storage“ (CCS) – Anlagen, bei denen noch viel Erfahrung zu sammeln ist. Der geplante „Fuel Switch“ von Kohle zu Erdgas zu Wasserstoff, sowohl in Bestandsanlagen als auch Neubauten, wirft noch zahlreiche Fragen auf, die von Kraftwerkschemikern zu durchdenken sind. Großwärmepumpen, Geothermie und Elektrolyse sind weitere Erzeugungsarten, die in den vgbe-Gremien verstärkt in den Fokus rücken. Bei manchen Themen stehen wir teilweise noch am Anfang, alle wichtigen Fragestellungen zu definieren und die geeigneten Knowhow-Träger zur Erarbeitung neuer vgbe-Standards zu gewinnen.

Auf der vgbe-Chemiekonferenz im Oktober 2023 in Ingolstadt hat Michael Rziha (PPChem AG) in seinem Eröffnungsvortrag eindrucksvoll den Knowhow-Verlust in der Kraftwerkschemie beklagt. Hier sind wir alle aufgerufen, das Wissen der Kraftwerks­chemie wertzuschätzen und frühzeitig für eine geeignete Nachfolge zu sorgen. Die Kenntnisse können hier nur durch eine ausreichende Einarbeitung und jahrelange Erfahrung erworben werden. Es muss weiterhin bedacht werden, warum die Kraftwerkschemie ursprünglich aufgebaut wurde – um teure Schäden an den Anlagen, beispielsweise durch Korrosion, zu vermeiden. Der Schutz des Wasser-Dampf-Kreislaufs und somit der Dampfturbine ist ein wichtiges Ziel auch bei den Neuanlagen, insbesondere wenn wir hier eine hohe Verfügbarkeit erreichen wollen.

Helfen Sie also mit, uns im vgbe zu vernetzen, damit wir uns mit Knowhow ergänzen und die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gemeinsam bewältigen!