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Ausgabe 11-2022

Dampfturbinen und Dampfturbinenbetrieb – ein aktuelles Thema

Hartmut Strangfeld

Anfang des Jahres 2020 wurden wir alle mit einem für uns unbekannten Ereignis konfrontiert – einer Pandemie. Schweren Herzens entschieden wir uns, die ursprünglich für 2020 geplante Fachtagung „Dampfturbinen und Dampfturbinenbetrieb“ auf 2021 zu verschieben.

Da hatten wir aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Auch im Jahr 2021 erlaubten es die pandemiebedingten Einschränkungen nicht, ein derartiges Event gesichert durchzuführen.

Allerdings bot der von uns allen belegte Crash-Kurs in der Nutzung und Weiterentwicklung von Onlineformaten die Möglichkeit, uns im Jahr 2021 an einem Online-Format für die Fachtagung zu versuchen. Und wie ich finde mit Erfolg.

Aber auch wenn man auf die lieb gewonnenen Digitalisierungserleichterungen im räumlichen und zeitlichen Sinne in Zukunft nicht mehr dauerhaft verzichten wollen und können wird, bleibt jedoch.

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Einfluss wechselnder Randbedingungen auf die Entwicklung zukünftiger Energiesysteme

Andreas Hanel, Sebastian Fendt und Hartmut Spliethoff

Immer häufiger kommt es zu großräumigen Ereignissen, die unsere Energieversorgung betreffen. Um mögliche Zukunftsszenarien und Transformationspfade unseres Energiesystems zu identifizieren, wird das deutsche Energiesystem von einer Vielzahl von Instituten in Energiesystemmodellen untersucht. In diesem Artikel werden 40 solcher Systemstudien mit Fokus auf den deutschen Stromsektor analysiert. In allen Szenarien wird ein starker Ausbau der erneuerbaren Energien angenommen. Grund dafür ist insbesondere die fortschreitende Elektrifizierung und der zunehmende Einsatz von Power-to-X-Technologien. Nichtsdestotrotz werden konventionelle Kraftwerke in den meisten Studien als wichtige Flexibilitätslieferanten sowohl während der Transformation als auch auf lange Sicht betrachtet. Die größten Unterschiede innerhalb der Studien liegen in der Darstellung der Sektoren Wärme, Mobilität und Industrie. Der Einfluss sich ändernder Randbedingungen wird untersucht, wobei insbesondere die gesellschaftliche Akzeptanz und das Ambitionsniveau einen starken Einfluss zeigen. Geringe Ambitionen oder gesellschaftliche Widerstände führen in den meisten Fällen zu einem Mehraufwand bei der Transformation des Energiesystems und damit zu höheren Kosten, die letztlich von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Insbesondere der Ausbau von Windkraftanlagen sollte in enger Kooperation mit der Bevölkerung angegangen werden, um die ehrgeizigen aktuellen Ausbauziele der Bundesregierung erreichen zu können.

Stellventil 4.0 – Konzept. Regelarmatur ganz einfach

Achim Daume und Britta Daume

Aus der langjährigen Erfahrung der Autoren im Bereich der Konstruktion und Entwicklung von Regelarmaturen und Stellgliedern und dem damit verbundenen Ziel technisch optimale Lösungen bei optimierter Fertigung zu entwickeln, entstand eine neue Form der (Regel-)Armatur, das Stellventil 4.0. Zum besseren Verständnis und der Einordnung im Kontext wird das Stellventil mit seiner Funktion und Konstruktionsmerkmalen, sowie den Faktoren beschrieben und im Anschluss das Stellventil 4.0. dargestellt und kurz erläutert.

„Kleine Masse, große Wirkung!“ – Betriebsauswuchten als Maßnahme zur Optimierung des Dampfturbinenbetriebes

Clemens Bueren

Das Betriebsauswuchten von Dampfturbinen ist eine Möglichkeit, die Schwingungsamplituden und damit das Laufverhalten von Turbinen, Generatoren und Nebenanlagen im Kraftwerk zu verbessern. Neben dem Auswuchten des Einzelläufers in speziellen Wuchtständen, stellt das Betriebsauswuchten auf der Anlage eine notwendig und vorzusehende Optimierungsmaßnahme dar. Dabei geht es in der Praxis meist darum, nach mechanischen Veränderungen wie z.B. Revisionsarbeiten, die vereinbarten Schwingungsgrenzwerte zu erreichen oder Betriebsstörungen (Schutzabschaltung) zu vermeiden. Ein gutes Schwingungsverhalten, mit niedrigen Amplituden reduziert zudem Verschleiß und Lebensdauerverbrauch wichtiger Anlagenkomponenten. Allerdings kann nicht jedes Schwingungsphänomen durch eine Betriebsauswuchtung beseitigt werden, weshalb vor Planung und Ausführung der Auswuchtung eine detaillierte Analyse erfolgen muss. Qualifizierte Analysen sind nur mit erprobtem und geeignetem Messequipment unter Anwendung der sog. Ordnungsanalyse mit Phasenwinkelermittlung möglich. Zudem werden an die entsprechenden Fachleute hohe Anforderungen gestellt, da hier Kenntnisse der Messtechnik, der Rotordynamik und des Dampfturbinenbetriebes Voraussetzung für eine erfolgreiche Maßnahme ist. Aufgrund der langjährigen Erfahrungen der Siempelkamp NIS beschreibt dieser Fachartikel die grundsätzliche Vorgehensweise.

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Ursachen und Auswirkungen von Torsionsschwingungen auf Kraftwerksturbosätze im Umfeld geänderter Netzbedingungen – Erste Beobachtungen

Matthias Humer und Andreas Wirsen

Das durch den vgbe energy betreute und durch sechs Partner (BASF, ENGIE, GKM, MVV, RWE und Uniper) finanzierte vgbe-Forschungsprojekt mit dem Namen „Subsynchronous torsional interaction (SSTI) – Data analysis to determine interactions between (HVDC) converter and (turbine set) generator“ beinhaltet eine komplexe Datenanalyse zur Ermittlung von Wechselwirkungen zwischen Wechselrichtern und elektrischen Generatoren in mehreren Stufen. Die Analyse und Bewertung der Messketten und Messeinrichtungen zur Messung von Torsionsschwingungen an den Turbosätzen der verschiedenen Kraftwerke der beteiligten Partner in Bezug auf eingesetzte Messkomponenten und den daraus resultierenden Phänomenen liefert die grundlegenden Informationen für weitere Untersuchungen. Durch die Anwendung modernster Zeit-Frequenzanalyseverfahren werden die zur Verfügung gestellten Messdaten untersucht und abschließend miteinander verglichen. In diesem Beitrag werden die ersten Ergebnisse des noch nicht abgeschlossenen Projekts vorgestellt und erläutert.

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Cybersecurity Konzepte aus Industrie 4.0 für bestehende Anlagen

Karl Waedt, Josef Schindler, Ines Ben Zid und Egor Dronov

Das gesamte Referenzarchitekturmodell RAMI 4.0 [1] für eine bestehende Anlage anzuwenden wäre erst nach umfangreichen vorangehenden Schritten der Digitalisierung möglich, insbesondere für Anlagen die seit mehreren Jahren in Betrieb sind. Ausgewählte Ansätze der „Deutsche Normungsroadmap Industrie 4.0“ Version 4 [2] sowie Konzepte von Industrie 4.0 [3] können jedoch für bestehende Anlagen durchaus hilfreich sein, z.B. als Teil einer Folge von umfangreichen Modernisierungsprojekten. In den folgenden Abschnitten werden ausgewählte Industrie 4.0 Konzepte zusammengefasst. Der Schwerpunkt liegt auf der Modellierung des statischen Anteils der Anlagen sowie der Implementierung einer sicheren Netzwerk-Kommunikation mit eingebetteten Komponenten. In diesem Zusammenhang sind auch „Digitaler Zwilling“ basierte Ansätze für bestehende Anlagen im Kontext der Funktionalen Sicherheit (Safety), Cybersecurity, vorbeugender Anlagenwartung u.a. hilfreich. IEC 63096 als abgestufter Ansatz (im Sinne der „Horizontalen“ Industrie 4.0 Norm IEC 62443) von ISO/IEC 27019 sowie ISO/IEC 27002 kann bei KRITIS-Anlagen effizient angewendet werden. IIoT spezifisch können die neuen ISO/IEC 2740x Standards schrittweise unterstützen, insbesondere entlang der Supply Chain.

Perspektiven für den Einsatz von Kohle in der Landwirtschaft

Ian Reid

Die Auswirkungen des Klimawandels und industrieller Anbaumethoden beeinträchtigen die Bodenfruchtbarkeit, die biologische Vielfalt und die Nahrungsmittelproduktion in der Landwirtschaft bei gleichzeitig steigender Nachfrage aufgrund des Bevölkerungsdrucks. Die Vereinten Nationen (UN) haben Initiativen ins Leben gerufen, um die Wüstenbildung und den weltweiten Rückgang der Bodengesundheit zu verstehen und zu bekämpfen, aber der Verlust an fruchtbarem Land könnte sich beschleunigen. Düngemittel sind für die weltweite Nahrungsmittelproduktion von entscheidender Bedeutung. Kohle kann als Ausgangsstoff für chemische Düngemittel dienen, spielt aber auch eine neue Rolle als alternatives Kultursubstrat. Stickstoff-Phosphor-Kalium-Dünger (NPK) dominiert den Markt, und die Basischemikalie für Stickstoff ist Ammoniak. Düngemittel auf Braunkohlebasis befinden sich in der Entwicklung und gewinnen an kommerziellem Erfolg, insbesondere bei Landwirten, die NPK-Dünger vermeiden. Kohleascheprodukte spielen auch in der Landwirtschaft eine Rolle. Die Studie befasst sich mit den verschiedenen Lösungen, die Kohle und Kohletechnologien bieten, und mit der Frage, wie sie die Bodeneigenschaften in Bezug auf Erosions- und Wüstenbildung, die Verbesserung der Kohlenstoffsenken und die Bodenfruchtbarkeit beeinflussen.

World Energy Outlook 2022
Zusammenfassung mit besonderem Fokus auf die Stromversorgung

Internationale Energieagentur (IEA)

Die Welt befindet sich mitten in der ersten globalen Energiekrise – ausgelöst durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine – und der World Energy Outlook 2022 (WEO) bietet unverzichtbare Analysen und Einblicke in die Auswirkungen dieses tiefgreifenden und anhaltenden Schocks auf die Energiesysteme auf der ganzen Welt. Der WEO ist die zuverlässigste Quelle für Analysen und Prognosen in der Energiewelt. Seine objektiven Daten und sachlichen Analysen bieten kritische Einblicke in die globale Energieversorgung und -nachfrage in verschiedenen Szenarien und die Auswirkungen auf die Energiesicherheit, die Klimaziele und die wirtschaftliche Entwicklung.

vgbe Congress 2022 – Kongressbericht

  • vgbe-Kongress 2022 zwischen Versorgungssicherheit und Dekarbonisierung
  • Modernes, schlankes Konzept, fokussiert auf strategisch-technische Fragestellungen
  • Raum zum Netzwerken und für fachliche Diskussionen
  • Antwerpen, Belgien als gastgebende Stadt

Editorial

Hartmut Strangfeld

Vorsitzender des Technical Committee „Dampfturbinen“ im vgbe energy e.V.

Dampfturbinen und Dampfturbinenbetrieb – ein aktuelles Thema

Anfang des Jahres 2020 wurden wir alle mit einem für uns unbekannten Ereignis konfrontiert – einer Pandemie. Schweren Herzens entschieden wir uns, die ursprünglich für 2020 geplante Fachtagung „Dampfturbinen und Dampfturbinenbetrieb“ auf 2021 zu verschieben.

Da hatten wir aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Auch im Jahr 2021 erlaubten es die pandemiebedingten Einschränkungen nicht, ein derartiges Event gesichert durchzuführen.

Allerdings bot der von uns allen belegte Crash-Kurs in der Nutzung und Weiterentwicklung von Onlineformaten die Möglichkeit, uns im Jahr 2021 an einem Online-Format für die Fachtagung zu versuchen. Und wie ich finde mit Erfolg.

Aber auch wenn man auf die lieb gewonnenen Digitalisierungserleichterungen im räumlichen und zeitlichen Sinne in Zukunft nicht mehr dauerhaft verzichten wollen und können wird, bleibt jedoch.

Eine Veranstaltung wie die Fachtagung Dampfturbine lebt nicht nur von den fachlichen Inhalten, sondern in besonderer Weise von den zwischenmenschlichen Kontakten, vom Networking und dem gemeinsamen Erleben.

Insofern war es besonders erfreulich, dass die Fachtagung „Dampfturbinen und Dampfturbinenbetrieb 2022“ als Präsenzveranstaltung in Köln stattfinden konnte.

Es nahmen ca. 260 Teilnehmer an der Veranstaltung teil, die sich im Rahmen der Fachausstellung bei 37 Ausstellern über Produkte und Dienstleistungen informieren konnten.

Natürlich spielen die Vorträge auf der Fachtagung eine zentrale Rolle. Hier waren die Schwerpunkte:

  • Instandsetzungsmöglichkeiten und -maßnahmen an Dampfturbinen
  • Numerische Analysen und Reverse-Engineering
  • Retrofits und Möglichkeiten zur Anlagenoptimierung
  • Dampfqualität und -analytik
  • Staatliche Vorgaben am Energiemarkt (Grid Code, EnergieStG)

Das Thema der staatlichen Vorgaben am Energiemarkt hat seit der Fachtagung im Juni noch einmal einen neuen Stellenwert erreicht.

Das Erreichen der gesteckten, ambitionierten Klimaschutzziele soll durch eine immer stringentere Umsetzung von Energiewende und Dekarbonisierung durch Industrie und Gesellschaft gelingen.

Die tatsächliche Umsetzung der Ziele durch den Nuklear- und Kohleausstieg, den Ausbau von erneuerbaren Energien, Energiespeichern und gasgefeuerter Erzeugung sowie durch den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft wären Herausforderung genug für alle Energieanlagenbauer und -betreiber.

Der Kernenergieausstieg und die Umsetzung der Vorschläge der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ zum Kohleausstieg in konkrete Gesetze hatten ihre entsprechenden Auswirkungen auf die Branche, sowohl für Betreiber als auch für Hersteller und Serviceanbieter bereits entfaltet.

Neben den Beschlüssen zu Außerbetriebsetzung von Kraftwerken, wurden zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit auch diverse Kraftwerke in Sicherheitsbereitschaft gehalten.

Seit Beginn des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine hat die Versorgungssicherheit nun eine weitere, bislang unterschätzte Dimension hinzubekommen.

Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Thema eher im technischen Rahmen zwischen Redispatch und Systemstabilität diskutiert und war fast als gegeben postuliert.

Nun ist die fatale Importabhängigkeit der EU – und ganz besonders Deutschlands – bei Erdgas, Kohle und Rohöl in das kollektive Bewusstsein eingeschlagen, und damit verbunden der Wunsch nach Autarkie von russischen Energielieferungen.

Neben Fragestellungen wie z.B. zum weiteren Umgang mit der Raffinerie Schwedt und ihrer Bedeutung für die Treibstoffversorgung im Nordosten Deutschlands stellt die Sicherstellung der Gasversorgung für Deutschland und Europa die größte Herausforderung dar.

Rund 50 % des Erdgasverbrauchs in Deutschland wurden 2021 aus Russland bezogen. Das sind ca. 55 Milliarden m3. Dies entsprach der maximalen Transportkapazität von Nord Stream I.

An Ersatz durch LNG wird fieberhaft gearbeitet, doch die benötigten Mengen stellen in jedem Fall eine Herausforderung dar. Ob es gelingen wird in Deutschland innerhalb kürzester Zeit auf der grünen Wiese (besser gesagt im Wattenmeer) eine komplexe chemisch-verfahrenstechnische Infrastruktur zu errichten, bleibt in Anbetracht der Genehmigungs- und Bauzeiten bei anderen Projekten abzuwarten. 4 Standorte sind inzwischen ausgewählt, die Arbeiten laufen.

Der Aufbau des Energiesystems der Zukunft basierend auf Strom, Wärme und Wasserstoff aus erneuerbarer Erzeugung im Zusammenspiel mit Energiespeichern und intelligentem Verbrauch hat weiterhin höchste Priorität.

Dabei war und ist dem Erdgaseinsatz zur Stromerzeugung eine entsprechende Brückenfunktion zugedacht.

Dinge entwickeln sich manchmal allerdings doch anders, als man denkt, und die aktuellen Ereignisse wirbeln diesen Anpassungsprozess kräftig durcheinander.

Die Politik hat jedenfalls den Punkt der gesicherten Erzeugung für sich erkannt. Am 7. Juli 2022 wurde das Ersatzkraftwerke-Bereithaltungsgesetz im Bundestag verabschiedet.

Vermehrt werden Kraftwerksblöcke aus der Netzreserve zurück in den Dauerbetrieb geholt.

Eine Anlage aus der Reserve in kürzester Zeit fit für den längeren Dauerbetrieb zu machen und zu betreiben, wäre auch in Zeiten ohne Personal- und Materialmangellage eine Herausforderung. Hier sind Einfallsreichtum und unkonventionelle Lösungen gefragt.

An Themen für die zukünftige Gemeinschaftsarbeit im vgbe energy e.V. mangelt es fürwahr nicht.